beforter texte 2: für einen moment bin ich glücklich.

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man schlägt sich in die wälder und verschwindet an hängen und hügeln, wenn man am meer sitzt, stellt man sich vor, man schwimmt hinaus und kommt nicht mehr wieder; im schatten ist es zu heiss, das denken hört fast ganz auf, man hört nur, man sieht, wenn denn die augen sich öffnen,  das fühlen wird weit, manchmal mitten in der stille, keine zikaden, keine autos, für einen moment nur ein innehalten von allem und man spürt, wie die gegennsätze einen zerreissen. dass man es überhaupt aushält, dass man noch lachen kann.

wer ist man, fragt marie, frage ich, im sommer wird es unwichtig, man verschwimmt mit bergen und meer, es gibt die steine, das wasser, den horizont, das grün ächzt in der hitze, der rasen ist hellbraun, eine hand hebt sich und fällt, dösen.

an der anderen küste machen welche sich auf, hier werden die grenzen bewacht, leute stehen herum  in uniform und in waffen. wann rächt es sich, dass die einen alles haben und die anderen gar nichts.

im sommer, in dieser hitze bekomme ich den eindruck, dass die gegensätze  aus uns heraus ans licht geraten und uns überfallen. unsere ungesehene, ungefühlte zerrissenheit zerreisst die welt.

manchmal steht die zeit still oder bewegt sie sich rückwärts, aber ich erinnere mich nicht, wer ich meine zu sein.

eine leichte brise am hang, die luft bewegt sich für einen augenblick, das gefühl lebendig zu sein und die lust daran. wer, wenn nicht wir, trägt die verantwortung für armut und elend und wer ist schuld, wenn nicht unsere seltsamen gedanken. unser egoismus wäre gut beraten, die ganze welt zu seiner domäne zu machen, stattdessen aufgeblasenheit, warme luft, wer sich für bedeutend hält, muss es nicht sein.

manchmal bin ich es müde, manchmal will ich nur weg, manchmal finde ich wolken wichtiger als uns und bäume sowieso, manchmal ist das meer eine heimat und der ort, an dem ich wohne, liegt auf dem mond. noch mehr für uns und alles eifersüchtig bewahren? der missmut in unsern gesichtern, die unzufriedenheit um augenwinkel und mund spricht gegen uns, wir sind satt, übersatt, aber deshalb nicht klüger, denn der kluge kümmert sich um die welt. bei soviel leiden und elend, wie kann man da glücklich sein, und wenn doch, ist es nur ein sehr kleines glÜck.

ich werde sowas nicht vorlesen, sage ich mir, und tue es doch, es ist nicht literarisch, aber es entspricht meiner permanenten stimmung. ich fühle mich zerrissen, aufgespannt auf der folter der gegensätze, oft ist es des guten zuviel. und mein zorn erst, meine wut auf mich, weil ich nichts daran zu ändern vermag, meine kleinheit, meine kleinlichkeit, wenn ich mich öffne für die wirklichkeit hier, spüre ich den widerstand, den krassen widerspruch, den streit zwischen tun und sagen. vielleicht hilft ein wenig fürsorglichkeit, aber eine sehr weite, eine, die keine distanzen kennt, eine, die sich von allem betroffen fühlt.

ich empfinde es als glück, dass wir nun fast schon in der minderheit sind, die wolken an unserm himmel sind nicht rotweissblau, aber wir sollten, das sage ich mir, wir sollten uns mehr darum kümmern, was hier geschieht, statt zu warten, dass wieder ein paar krümel vom tisch fallen und wir streiten uns darum. wann werden wir erwachen.

in der hitze döst die katze auf der mauer, der hund hechelt im schatten, der grosskleinsteiner denkt an seine pension und wird blass, hält sich die wachstumsrate, wann steigen die zinsen wieder oder sollen wir nicht doch im risikokapital und was wird aus unsern kindern, fonds manager, trader oder geschäftsadvokaten, im zweifelsfall geht er/sie zum staat und wenn sie nicht gestorben sind, dann leben sie noch heute. ich finde, wir sind etwas dröge, hocken in althergebrachtem und denken wie beton, er wird schnell starr. man bewegt sich, drei vor und zwei zurück und immer in die richtige richtung. wir sehen etwas gelangweilt und langweilig aus; ich rede nicht von wirklichen sorgen und schicksalsschlägen, nicht alle sind so gesegnet wie es in farbe und auf grossschirm erscheint, aber …

im sommer versickern auch meine gedanken schnell in einem unhörbaren grummeln, in fast nicht faltig zusammengezogener stirn, aber tief unten spüre ich einen groll.

man hat mir böse mitgespielt? nein, ich vermisse marie, sie geht nicht neben mir im schatten der bäume, sie schwimmt nicht im meer und auf den später angeschauten bildern kommt sie näher, steigt aus dem wasser, stolpert, die grossen kiesel tun den füssen weh und sie legt sich neben mich, ich liebe diese nähe, die marie ist ein wunder von mensch und ich vermisse sie: ist das wahr? sie ist weg, das ist wahr, in die unsichtbarkeit, und seit sie weg ist, spüre ich eine trauer, ein unglück und sehe nun, es war immer schon da, eine hilflosigkeit, eine verzweiflung. und ich vermisse sie doch, vieles war schöner, nicht, dass es nichts schönes mehr gibt, aber die hälfte des pläsiers und der lust ist das teilen; ich sage ihr, ich habe genug und zuviel, ich kann noch was abgeben, es ist nicht alles für mich, die hälfte mindestens ist für dich und nun …

im sommer brechen die sätze weg, sie hören in einem flimmern auf, der horizont ist weit und dunstig, dort drüben, an dem gleichen meer, in dem ich schwimme mit lust und bedacht, machen welche sich auf, es sind menschen.

wann haben wir endlich genug, zum teilen, zum feiern und zum gedenken.

die gesichter auf den todesanzeigen in der morgenzeitung sehen aus wie ein versprechen, als hätten sie etwas begriffen.

ich schwimme weit hinaus und vergesse das land, ein sanftes gleiten, ein glitzern, ein leuchten aus tiefen, für einen moment bin ich glücklich.

 

 

 

 

 

2 Gedanken zu “beforter texte 2: für einen moment bin ich glücklich.

  1. Mir scheint es immer wichtiger, zu verstehen, dass wir kein Kern sind, oder nicht nur, sondern dass wir zerfransen. Manchmal nicht nur an den Rändern. Dann sind wir nicht weniger, lediglich weniger fassbar. Was uns vielleicht auch einige Enttäuschungen ersparen könnte, weil wir am eigenen – durchlässigen – Leib erfahren, dass wir wandelbarer sind, als der kompakte Körper uns vorgaukelt. Und oft ins Gegenteil geraten von dem, wofür wir uns eigentlich halten.

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