ein wenig sonne, juni, frisch, die rosen schaukeln im wind.
was ich gemeint oder geglaubt habe? ich glaube nicht und meine nicht. ich drehe das radio nicht auf, um kleinlaute kommentare zu hören. ich kommentiere nichts. ich bin nicht in einer anderen welt aufgewacht. ich bin aufgestanden, habe die zähne geputzt und geduscht. danach habe ich café getrunken. ich habe nicht gekämpft und nicht verloren oder gewonnen. das wetter ist sehr wechselhaft, aber die rosen leuchten auch, wenn der himmel bedeckt ist. der peruanische café schmeckt interessant. ich bin nicht deprimiert wegen irgendwelchen ereignissen. aber die rechnung von vier geretteten menschenleben und fast dreihundert dafür ausgelöschten, darunter kinder, diese rechnung geht nicht auf. nirgendwo und nie.
das haus des nachbarn verschwindet hinter einem vorhang von grün und violett und rosa und rot und hellblau; man fühlt sich eingehüllt.
hingegen der vorhang vor der wahrheit … die getriebenen, die angeblich souverän die welt gestalten. früher sagte man, „männer, die geschichte machen“, was für eine das war, liest man nach in den entsprechenden büchern.
jemand sagt, ich spüre die unruhe der welt. hier gehen die geschäfte weiter. gewinn, verlust, gewinn, verlust. und das geschrei, das drama. wie in einem traumzustand. jüngst einmal stolperte ich in einem traumstück im finstern durch einen wald, man hörte nichts, nur geraschel und das meist von den eigenen füssen, fast kein licht und man navigierte blindlings zwischen bäumen und sträuchern über unebenheiten, keine angst, schliesslich setzte ich mich an einen grossen baum, den ich vorher abgestastet hatte, raue rinde, moos, flechten und wartete, bis ich meinte, es wird heller, die morgendämmerung, dachte ich und erwachte. es war noch dunkel, vom geöffneten fenster her ein sanfter luftzug. weder einschlafen noch wegrennen, auch nicht totstellen, bewusst bleiben. ich lag noch eine weile und bin dann wieder eingeschlafen. am morgen erstreckte sich der traum so deutlich vor mir wie irgendeine landschaft.
der grüne vorhang vor dem fenster ist in bewegung, schwirrt, flattert, windbewegt.
die rosen wiegen sich, rhythmisch.
sieht man, wohin der zug fährt? an der strecke geschlossene bahnhöfe. irgendwo im niemandsland winkt jemand von einem fenster aus. am rande der bahnstrecke eine wiese mit schwarzbunten kühen („kühe in halbtrauer“), hecken (der bocage normand war nach dem D-Day eine falle), einfahrt in tunnel und immer der gedanke an Dürrenmatts zug, plötzlich ist man nach innen verwiesen, keine aussenprojektionen mehr. im traum sitze ich fast allein im waggon. einmal kommt ein buntgekleideter mann vorbei, der mein billet kontrollieren will. ich sage, sie sind mir aber ein zugkontrolleur und er tischt mir eine unwahrscheinliche geschichte auf. er gehe bunt, das beruhige die passagiere. ausserdem habe er seinen vorgeschriebenen anzug in der waschmaschine verloren. er fragt, haben sie nach dem waschen noch nie eine socke vermisst? doch, sage ich kleinlaut. sehen sie, sagt der kontrolleur, der nicht aussieht wie ein kontrolleur, bei mir ist es ein ganzer anzug gewesen. ausserdem seien alle willig, er brauche nur zu sagen, ihr fahrschein bitte und die leute würden nicht einmal hinsehen. nur einmal bisher habe ein passagier angezweifelt, dass er der kontrolleur sei. er warte lieber, habe die frau gesagt. sie, sage ich. wer sie, sagt der bunte mann. die frau, sage ich, sie ist eine sie. woher wissen sie das, sagt der kontrolleur. ich musste ihm rechtgeben. heutzutage ist das alles fluid, sagt der bunte mann; er lachte nicht. überhaupt war alles völlig ernst. nur die narrenkappe störte etwas. aufeinmal merkte ich, dass der bunte mann hinter vorgehaltener hand lachte, lautlos fast. ach geh doch, sagte er neckisch, ich bin ein narr, kein kontrolleur, von mir aus fährst du, wohin du willst. die frau am anderen ende des waggons hatte sich umgedreht und tippte sich an die stirn. sie erinnerte mich aufeinmal, das war klar, aber an wen oder was? ich rätselte herum, kam aber nicht auf einen grünen zweig. plötzlich rief die frau, es ist ein narrenhaus, ein narrenschiff, ein narrenzug. ich erwachte, erleichtert, muss ich dazu sagen.
