
inzwischen scheue ich mit meinem geschreibsel die öffentlichkeit, inzwischen sieht der junge angesagte autor melancholisch aus, inzwischen ist das schreiben hier überhaupt jünger geworden. da möchte ich mich nicht einmischen. oder überhaupt damit in verbindung gebracht werden.
es geht keinesfalls ums schreiben, sondern ums sagen. was treibt einen an den tisch und warum klappt man den laptop auf. jeden morgen oder fast jeden morgen.
man müsse sich einfach dazu äussern, sagt Robert Reich und Carole Cadwalladr sagt: „it is a coup“. nicht nur sie sagt das im übrigen. früher sagte man nicht teufel, man sprach vom gottseibeiuns. man wollte nicht zutraulich werden. ich auch nicht, deshalb sage ich für mich, der „ichsagnichtwer“, es gibt mehrere von der sorte. auf keinen fall sage ich, wen ich meine. früher gab es solche auch und nicht nur in romanen oder in filmen. heute kommt man zur schlussfolgerung, einen solch schlechten film würde man nicht drehen wollen. schon bei dem blossen gedanken daran, stellt sich ein mulmiges gefühl ein. man könnte geneigt sein, sich aus rein ästhetischen gründen von dem phänomen zu distanzieren, ich meine nicht bloss den anblick, sondern vor allem die wörter, die zu vernehmen sind. dem andern, der ich auch bin, könnte es davon speiübel werden. aus politischen gründen wird man sich in einem gut und streng abgegrenzten rahmen damit beschäftigen wollen. man kann mit gründen annehmen, dass regel und gesetz oder verfassung kein reales hindernis mehr darstellen. man sieht nämlich eine ganz andere geistige anlage am werk.
es ist schon länger nacht und es regnet noch immer. das haus ist eingehüllt in regen. es ist eine hörbare hülle. sonst ist es still.
ich kann mir nicht vorstellen, dass ich das geschriebene nicht löschen werde. ich kann mir vorstellen, den text bestenfalls unter entwürfe abzuspeichern. mir ist meine meinung auch für mich selbst viel zu persönlich. überhaupt zu viel. vielleicht denke ich heimlich, dass meinungen und ansichten furchtbar peinlich sind und nicht an die öffentlichkeit gehören.
ich gestehe, ich habe mir von einem LLM ein paar texte schreiben lassen, in der anweisung kam James Joyce vor, darunter mache ich es nicht, und ich habe gesagt, sowas wie im Ulysses, Bloomartiges und ich sah zu, wie sehr schnell – in windeseile – eine imitation generiert wurde nach dem zugrunde liegenden statistischen modell. eine plagiatmaschine demnach. ich habe mir garnicht erst den text zu gemüte geführt, sondern war eher geneigt, den Ulysses aufzuschlagen und darin zu lesen. nachher fragte ich mich im ernst, ob es nicht gescheiter wäre, meine zeit mit dem verstehen von Finnegans Wake und dem dilettierenden und unmöglichen versuch einer übersetzung von drei seiten in eine randsprache zu vergeuden, statt mit männern in schwarzen mänteln, die über leere plätze gehen oder in helikopter steigen und befremdliche texte generieren. was wird gerade hinter dem produzieren von wortsalat getrieben, frage ich mich natürlich auch. aber ich gebe zu, ich quäle mich damit.
es gibt nämlich albträume von ähnlicher qualität.
Ein freund hat mir die geschichte der „Herrschaft“ von Tom Holland geschenkt. die lektüre betrachte ich als eine art höherer zeitvergeudung. ich habe nichts gegen zeitvergeudung. neuerdings stelle ich fest, dass selbst die abgelegenste lektüre auf die aktuelle konstellation verweist. vielleicht kann man nun noch einige zeit einigermassen friedlich die endstufe eines imperiums in der realität studieren.
wie sprache verhunzt wird auch. auf den hund kommt. verhunzen scheint tasächlich etwas mit hund zu tun zu haben. ich bin kein hundebesitzer, kann mir aber lebhaft vorstellen, wie hunde einmal behandelt wurden („hunzen“ mundartlich: „wie einen hund ausschimpfen oder behandeln“, nach dem Duden). dabei möchte ich garnicht über aktuelles reden oder über sprache auf einer endstufe oder über politisches oder über putsche und staatsstreiche oder coups.
viel lieber würde ich über garnichts schreiben wollen oder über unerhebliches wie jüngst beim waldgang eine art moos von phänomenalem grün (polytrichum commune, auch goldenes frauenhaarmoos ) mitten unter all den schattierungen von braun und fahl. oder über die feuchte kälte im gesicht oder die sensation von überwältigender lebendigkeit beim anstieg eines hangs oder die stille zwischen buchen und kiefern oder über das rascheln des laubs unter den füssen oder über das vergnügen, dass die windungen des pfades garnicht mehr aufzuhören scheinen.
aus dem Merriam Webster : coup, „a sudden decisive exercise of force in politics and especially the violent overthrow or alteration of an existing government by a small group : coup d’état „. ich gebe das an, weil die übliche recherche im netz neuerdings so gemütlich anmutet (und , so lese ich, weniger ressourcen verbraucht als …).
eine junge marxistin meint in ihrem podcast, dass es beileibe nichts neues sei, wenn machthaber sich auf die seite einer besonderen kapitalfraktion schlagen. mehr als ihre thesen bewundere ich bei der jungen marxistin ihre analytische verve und ihren glauben an das theoretische instrument. ich finde blossen glauben nicht mehr gerechtfertigt. aber die schöne und also gewandte anwendung eines analytischen modells hat jenseits von allem glauben eindeutig eine ästhetische qualität.
andererseits, solange man sein fundamentales unbehagen an und in einer un-kultur noch zu äussern vermag. das ist dann doch noch etwas anderes als reine hilflosigkeit.

verspätete anmerkung: ich habe mich erst nachher gefragt, ob ich tatsächlich imstande wäre, angesichts der verhältnisse einen dermassen versnobt schnöseligen, vielleicht sogar unfreiwillig komischen text selbst -eigenhändig – zu generieren. don’t acte. nach meiner erfahrung handelt es sich um eine allergische reaktion.