gartenwesen

vielfältig die gartenwesen, von links nach rechts: rosenstöcke, die neuen blätter fast rostbraun und dunkelgrün, weiter weg sträucher, bäume und eine wiese voller wiesenschaumkraut in blüte, eine art kresse, lese ich, konsumierbar, dann rechts drei birken und vorne, nahe am beoabachter ein orangener klatschmohn, wiegt sich im winde. die sonne scheint, es ist warm um neun uhr morgens, vogelgezwitscher von allen seiten, man sitzt hier im grünen. es ist sonst still, weder maschinengeräusche noch menschliche stimmen.

wenn man sich lesend auf dinge einlässt, wachsen sie gross, drängen sich auf, werden lästig. weg damit. sie verstellen die sicht. aufwachen, mein lieber, sagt man zu sich selber.

morgens im bett, wird einem bewusst, dass man über einem abgrund geht (tanzt, wollte ich sagen) hinter allen wahrnehmungen spürt man das fallen und es hört garnicht mehr auf. aber das ist nur ein bild. aus schreibgründen zensiere ich meine schriftlichen ergüsse. der schlimmstmögliche fall, der sündenfall in den kitsch. rede ich mit geistern? abwesenden? gibt es jemanden, der insgeheim zuhört, wenn ich mich morgens beim aufwachen stumm über das fehlen eines festen grunds beschwere. suspendu dans le vide. kein grund zum aufstehen, kein einziger. oder nur vordergründige motive, morgens steht man halt auf. abwesend sind sinn und bedeutung.

B. redet am telefon auf der terrasse mit einem unbekannten. unbekannt für den, der von ferne laute hört, die an sprache gemahnen, artikuliertes, moduliertes, aber von hier aus eine lautfolge ohne sinn. „ciao“, das telefongespräch ist beendet. B. kommt herein und bringt grüsse von D. mit, er kommt gerade von Mauritzius heim, elf stunden flug. B. möchte von solchen reisen absehen: elf stunden schlaflosigkeit, sagt sie.

man sitzt an einem tisch, irgendwo, es könnte auch woanders sein, tausend kilometer entfernt von hier zum beispiel, und schreibt, weil man (fast) jeden morgen da sitzt und schreibt.

Baer sagt, du büsst mit dem schreiben. es ist keine frage. ich büsse fürs weglaufen, wegschauen, für die gleichgültigkeit, die hartherzigkeit, die oberflächlichkeit? das frage ich stumm. ich sage laut (zu Baer gewandt), ich büsse für die oberflächlichkeit meiner tage, die zeitverschwendung.

ich setze mich auf den punkt: ernsthaft, hast du noch zeit zum vergeuden. kein fragezeichen! ein vorwurf. ich werfe mir diesen satz jeden tag mindestens einmal vor. er ist das hindernis des tages. wie verbringt man seine zeit? für einen kurzen moment entsteht ein context, ein rahmen, der zu halten scheint. das nagende gefühl, als müsse man unbedingt, ja unbedingt, zu einer wahrheit vorstossen, zu einer konsistenten. als habe wahrheit attribute, als gebe es mehrere. also gibt es gar keine. aber die bewegung im denken und fühlen ist da, ohne zweifel, zu der wahrheit hin.

bei geschlossenen augen fahndet das bewusstsein nach einer wahrnehmung, irgendwo gibt es eine körpersensation, oben, unten oder in der mitte und das dunkel hinter geschlossenen lidern ist nicht rabenschwarz, es ist beweglich, es flutet hin und her, hat aufhellungen und dunkle ecken. das nichts ist kein aufenthaltsort. man schlägt die augen auf und ist hier, farbig alles, ein wogen an eindrücken, hören, sehen, fühlen, schmecken, der mund trocken oder saftig, man spürt den druck der fusssohlen auf den boden, es gibt einen festen grund. man atmet erleichtert auf. man sitzt in einem zimmer, an einem tisch mit roter tischdecke und schreibt. blickt man auf, zum beispiel nach links zur eingangstüre hin, kommen im moment des augenschwenkens schon wieder zweifel auf, genauer, ein einziger zweifel an der konsistenz. das nagende gefühl, dass der context nicht halten wird. dass man auf einem stuhl sitzt, die lehne spürt, den rücken, die sitzfläche und plötzlich feststellt, wie die realität verschwindet für den bruchteil einer sekunde. eine lücke klafft aufeinmal, die welt am draht oder beim anschauen eines films, aufeinmal, ohne sichtbaren grund, die leere hinter den bildern, der leere schirm, gepixelt, flach. plötzliches erwachen.

geigenklänge von nebenan. eine weibliche singstimme. ablenkung. le jeu des apparences.

im fernsehen, das „weltgeschehen“ als zweidimensionale bildfolge, die „weltelite“ in Rom als image d’Epinal, schein, vorschein und nachschein, bildschirmflimmern, ganz unwirklich, namen, gesten in einem absurden stück. „männer, die geschichte machen“? und noch mehr fragezeichen. man schaltet das fernsehen aus und schaut in den abendgarten (das war gestern, als ob es ein gestern gegeben hätte).

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