29.08.25 rummel

Fuelbox 2025

da das fenster im raum, in dem ich schreibe, geöffnet ist, höre ich den regen und die gurrende taube und die keckernde elster (ferner) und den bagger in der parallelstrasse. die autos, die wässern rauschen, natürlich auch. für den rummel weiter unten ist der regen nicht so gut. gestern auf dem riesenrad sahen die entfernteren stadtviertel etwas dunstig aus, die details waren verwischt, als würde die stadt weissgraubräunlich, die farbe war recht unbestimmt. die zuckerwattebäusche waren wirklich „grand“, wie angekündigt, und rosa. die enkelinnen hatten das zeug im nu verzehr. da ich dachte, ich könnte noch eine kulturelle erfahrung machen, bin ich der ältesten gefolgt und habe auch einen „corndog“ bestellt, „beef“, „potato“, „mustard“ und bekam ein bräunlich länglich fritiertes am stiel, das andeutungsweise nach kartoffel schmeckte, vom „beef“ geschmacklich keine spur und der „mustard“ rettete die sache auch nicht. „beef cheese“ wäre keine alternative gewesen. das zeug lag mir im magen. ich hatte mit dem jungen mann hinter der theke mein aproximatives englisch gesprochen. er hingegen sprach mich in der „native tongue“ an. so geht man kulturell bereichert nach hause. aber das war nicht alles, nun begann es zu regnen, eine kleine schauer, die mir die espadrilles aufweichte, die ich ohne nachzudenken angezogen hatte, es ist schliesslich noch august, aber der regen war angekündigt und wir flüchteten zu fünft unter ein budendach. danach wünschten sich die drei andern, die auf „corndogs“ keine lust hatten, hamburger, cheeseburger und grillwurst. die zuckerwatte und die churros kamen später, als der corndog sich schon meldete, und ich sah entgeistert zu, wie die länglichen teigdinger im fett schwammen und der ältesten war auch nicht nach weiterem frittierfett.

Fuelbox 2025

wenn ich mich frage, warum ich mir das betäubende lärmen antue (beim anblick der riesenquirle und hämmer und türme wird mir im fortschreiten der operation rummel immer mulmiger, das bier, das ich trinke, verbessert die lage nicht und hinterher habe ich einen anflug von schlechtem gewissen wegen der vielen süssigkeiten und fetten essenssimulationen, die ich finanziert habe. am ende, als die aufgeweichten schuhe unangenehm werden, erstehe ich leicht betäubt und nun verstandesfrei eine packung nougat mit pekannuss. daraufhin wünsche ich mich nur noch weg und wir bewegen uns zügig nach hause. war das ein schöner nachmittag), so gibt es nur eine antwort, wegen der enkelinnen. sie sind inzwischen geeicht, lassen sich auf der achterbahn herumschütteln und wirbeln auf schienen im kreis (immer schneller, so dass ich angst kriege, sie fliegen aus der kurve), die älteste hat alle hämmer und wirbel und ebenfalls den achzig meter fall turm ausprobiert und verkündigt, „das ist doch gar nichts opa“ und fügt hinzu „das ist doch lustig“. mir wird schon mulmig beim hören und sehen, das mir vergeht und als ich von einem interviewer mit camera angesprochen werde, was mir am besten gefällt, deute ich wortlos mit dem finger auf den turm, auf dem die leute sich gerade nach oben schrauben lassen. es hat mir die sprache verschlagen, ganz abgesehen davon, dass ich keine interviews gebe. grundsätzlich.

zuhause sitze ich noch eine weile matt herum.

das war ein angriff auf alle sinne.

als wir den rummelplatz von ganz oben übersehen, werde ich informiert, dass dies der grösse ambulante rummel weit und breit ist („du monde et des environs“) und die besucher ebenfalls von weit her kommen, um die sinne berabeiten zu lassen. von oben sehen die autos und häuser klein und putzig wie in einer spielzeuglandschaft aus.

ich bekomme bei dem anblick ein wirklichkeitserlebnis. genauer, ein unwirklichkeitserlebnis. traumlandschaften, deutlich, präzise und schnell überflogen. eine art seltsamster euphorie. aber davon soll hier nicht die rede sein.

natürlich „natürlich“

man kann natürlich im garten sitzen und staunen. immer wieder gibt es etwas bestaunenswertes. oder man besucht ausstellungen in gärten mit seltsamen formationen wie glasskulpturen oder tomaten stöcken oder blumenbeeten und leuten aller art und musik, das natürlich auch. dort, ich meine den ausstellungsgarten, gab es wind und es kühlte ein wenig, es war ja auch nördlicher und keine zubetoniertes städtisches ambiente. man fuhr länger hin, über land, und fuhr andere wege zurück, hügelauf hügelab und B. sagte, wir haben doch ein schönes land. „haben“ natürlich in einem übertragenen sinn, denn geradeheraus gesprochen haben wir garnichts; oder anders gesagt, die dinge haben sich selber und eine eigene melodie und wenn der landstrich , durch den man gerade fährt, einen gesang hätte, so wäre er melancholisch, Marin Marais würde ich vorschlagen.

und ich rede nicht von den leuten, die den landstrich verwalten, aber so tun, als würde er ihnen gehören und sie hätten ein recht darauf.

ich nehme an, man ist zufällig gerade hier, an dem ort, an dem man sich befindet. oder es hat sich so ergeben, auch wenn andere meinen, sie hätten gewählt.

natürlich mache ich niemand seine meinung streitig, auch wenn ich in letzter zeit eine gewisse überheblichkeit oder sagen wir sicherheit in gewissen dingen an den tag lege; vielleicht wäre der begriff festigkeit auch angebracht. überheblichkeit ist , ich gebe es zu, eine verfassung, die einem drahtseilakt über abgründe ähnelt und dieser ohne sicherung, so dass …

andererseits kommt das auch von dem versuch, etwas höhe zu gewinnen, um einen besseren überblick zu haben. in den niederungen habe ich sofort den eindruck, beengt und, geradeheraus gesagt, gefangen zu sein in einem sehr begrenzten ausblick. daran sind natürlich auch die meinungen schuld, die verfestigten, die in umlauf sind und nicht deshalb wahr werden, weil sie unentwegt wiederholt werden. in den medien treten einem anschliessend diese meinungen als gesicherte fakten und längst gerechtfertigte positionen entgegen. position, der begriff gibt die rigidität gut wieder. das ganze bekommt dadurch etwas eckiges, an dem man sich notwendig beim überlegen stösst. zumal, weil abweichendes nicht so beliebt ist.

ansonsten ist es sonntagmorgen, der aufenthalt im garten in der frischen morgenluft war entspannend. die rosen, dahlien und verbena verlangen nichts von einem, ausser vielleicht, dass man sie anschaut und bewundert. was man sowieso tut.

nebenbei stelle ich fest, dass mir inzwischen die übliche form von humor gänzlich abgeht. nicht dass ich zu bierernst neige, aber für die eigene humoristische variante habe ich noch keine adäquate bezeichnung gefunden.

ich denke, dass angesichts der verhältnisse sich sowieso neue formen von humor zum selbstschutz vor abrakadabresken ereignissen entwickeln.

indem man zum beispiel unvermittelt das thema wechselt oder einem abrupten themenwechsel beiwohnt und deshalb zu sonderbaren aussagen gelangt. wie gestern bei der gartenausstellung am getränke- und sandwichstand, als der ältere mann hinter der theke mir auf meinen zwanziger kein wechselgeld herausgab und ich geduldig stehen blieb. er schaltete nicht gleich, sagte dann schnell, sie haben mir einen zwanziger gegeben und zur erklärung hinzu fügte, er habe eben eine unangenehme diskussion gehabt, aufeinmal sei das, was an zwei ausstellungstagen gut war, nicht mehr gut gewesen. ich nickte zu seinen ausführungen, deren detail hier nichts zur sache tut, und meinte am schluss, die leute würden immer seltsamer („ëmmer méi bossig“), was der mann hinter der theke erfreut aufnahm und wiederholte, ja, immer seltsamer.

im ernst halte ich solche unerwarteten wendungen oder themenwechsel für recht humoristisch.

nebenbei gesagt, es war keine nutzglasausstellung, nicht einmal kunsthandwerk, auch wenn natürlich die kunsthandwerkliche seite eine rolle spielt, sondern glaskunst, also skulptur. man kann natürlich die ausstellung samt ausstellungsort und leuten darin als das eigentliche kunstwerk ansehen, daraus leuchten zwei gelbliche glasgefässe ohne sichtbaren verwendungszweck natürlich ausser dem der reinen dekoration auf einer weissen unterlage hervor, der stärkste eindruck des ganzen und das tüpfelchen auf dem i. das ist natürlich sehr subjektiv.

die seltsame organisation der zeit, der freien, führt dazu, dass fast alle zur gleichen zeit weg müssen oder müssen wollen, so dass ganze landstriche von leuten überschwemmt werden. die freude der dort ansässigen hält sich natürlich in grenzen.

das ist, natürlich, kein grund zuhause hocken zu bleiben. oder keine rechtfertigung der stubenhockerei.

selbstverständlich statt natürlich, was als natürlich erklärt wird, bekommt den anschein des selbstverständlichen und ist es nicht. muss das gesagt werden.

das geöffnete fenster

zu dem geöffneten fenster hinaus erblicke ich erstens einen sich schon rot orange färbenden ahorn und zweitens dahinter den Liquidambar. ein auto rauscht vorbei. es ist neun und noch kühl draussen. fast könnte man auf herbstanfang schliessen, dabei hat es bisher einen verregneten sommer gegeben. ich sage nicht, dass das unangenehm war. ein mensch mit einer seltsamen apparatur geht um die häuser, es ist ein techniker von creos, der elektrizitätsfirma. man lebt in einer elektrischen zivilisation, ohne elektrizität läuft hier garnichts mehr. der mann grüsst und betritt den zwischenraum zwischen haus und hecke, als er wieder heraus kommt, sehe ich, dass er von creos ist, so steht auf der apparatur. jemand niesst sehr laut, eine elster keckert, nochmaliges niessen, fernes rauschen, ein flugzeug wohl, niessen zum dritten mal, sonst ist es still.

ich habe zwar die zeitung angeblättert, bin aber bei einem sommerloch bericht über leute, die mithilfe des metalldetektors explosives zeug aus dem letzten weltkrieg sammeln, hängen geblieben. gestern wurde der jahrestag der atombombenabwürfe begangen. alles gesehen und nichts gelernt, so sieht es aus. S. postet auf fb den titel eines buches des atomzeitalter philosophen Günther Anders. wenn heute ein politiker, prâsident, autokrat die begriffe moral und ethik in den mund nimmt, hüben wie drûben, so kann man nur den kopf schütteln. die ethische entwicklung hinkt so sehr hinter der technologischen hinterher, dass man aus dem kopfschütteln nicht mehr heraus kommt. die eu oberen by the way scheinen aus einem älteren comic entsprungen zu sein. so unwirklich erscheinen sie. oder ist es ein slapstick. nicht nur die eu oberen.

man ist das, was man gerade wahrnimmt ( eine nette behauptung, nicht wahr), also in meinem fall ein sammelsurium von âusseren impulsen, bildern, worten, sogenannten nachrichten, meinungen anderer, eine kakophonie von gerede und appellen und aussagen. der ganze brei bedeutet im endeffekt garnichts, beschreibt nichts, erklärt nichts, hellt nichts auf, eher im gegenteil er verdunkelt wie auf einem alten gemälde die szenerie, die man noch halbwegs erraten kann.

eine taube gurrt, das ist mal eine abwechslung.

bei geschlossenem fenster gibt es keine anderen geräusche als das tastaturgeratter und das geräusch beim aufheben und niedersetzen der cafétasse und das schlucken. der café schmeckt wunderbar, rund, kakau geschmack und wenig azidität. die andern bewohner haben längst das haus verlassen, der reinigungsdienst ist weggefahren. Jeff Beck ist gestorben und Eric Clapton hat auf der begräbnisfeier geweint. das entnehme ich einem kurzen blick auf mein tel.

die halbe familie ist unterwegs, die einen am südmeer, die andern an der nordsee. die dritte partei ist noch zulande. ich habe die neuesten nachrichten von den enkelkindern. warum schreibe ich sowas auf. als würde ich nach jedem strohhalm greifen, um nur nicht nach innen schauen zu müssen. ist es dort leer, gibt es sorgen, beschäftigt dich irgendwas mehr als anderes, wo bist du dran. ich bin neuerdings etwas zerstreut oder bin ich so beschäftigt, dass ich mir dinge vornehme und dann anderes in den blick kommt und ersteres vergessen wird.

das genre der japanischen wohlfühlliteratur ist mir wieder in die hände gefallen mit einer „convenience store“ geschichte (so genannt in der englischen übersetzung, die bedeutung reicht von lebensmittelladen über nachbachschaftsladen zu 24stundengeschãft), in der bisher alle zu sich und ihrer aufgabe gefunden haben. einige der figuren agieren wie im katholizismus die untere hierarchie der engel (schutzengel genannt). ich kann mich nicht mit der verbesserung der englischkenntnisse herausreden. aber ich mag nun mal keine überhitzte spannung wie in westlichen thrillern, police novels (wie denn, wo denn, was denn: krimis, mein lieber) oder sogenannten gehobenen romanen mit beziehungsproblemen oder problemen überhaupt (die hauptsächlichen, die üblichen, die modischen, die unlösbaren, bei manchen problemen ist die problemstellung das eigentliche problem, bei andern die rahmung, die exklusion von parametern, weil man dahin nicht schauen will oder weil das nicht gesehen werden soll/ das ist die moderne litanei). weshalb ich nur ausnahmsweise krimis lese. neuerdings einen enttäuschenden, weil geschwätzigen martin walker oder den allerletzten Camilieri, der eine missratene spielerei ist, friede seiner asche. nur ausnahmsweise verirre ich mich in den labyrinthen aktueller lit., insbesondere der deutschen. aber gewiss nicht der wohlmeinenden, meinungsschweren, moralsäuerlichen.

ich werfe mir vor, mich viel zu schnell zu langweilen. aber wenn man sich eine dosis wirklich stark geschriebenen stoffs zugeführt hat, ist die langweile unvermeidlich. ich meine mit dem starken stoff einblicke in die natur der sogenannten realität.

das heutige gedicht auf dem lyrik blog passt mir gerade in den kram. es sei deshalb hierher gesetzt:

An die Freunde

Ihr, Lieben, Trunkenbolde, Zeterer, lausige Schimpfer, Maulhelden, Knallköpfe, Süßschnaufende, Zyniker, Zweifler, ihr Melancholiker jenseits des Mondes, wie konnte ich versäumen, euch zu besingen? Hier bricht alles zusammen, ihr aber sagt: Wir haben die gesellschaftsfeindliche Absicht, nachzudenken, wie mich das freut. Daß ihr aber die gesamte, beschissene Popmusik nicht mögt, bis auf die Talking Heads, gefällt mir besonders, ihr Irren.

Kornelia Koepsell

(beim einfügen ging die vers- und strophenform verloren, aber das ding behält auch so seine kraft)

damit ist für heute der ton gesetzt.

„you are headed where?

I have no idea.“

ein blog

ein blog ist dazu da, gelesen zu werden oder? ich habe einen leser, mich und daneben ein paar unsichtbare geister, die mitlesen, das kann man sich immer einbilden. gerade habe ich über einen „lyrik“-blog durch ein gedicht von Sarah Kirsch einen mir unbekannten kauzigen DDR Maler entdeckt, mit namen Albert Ebert.

hier eine kostprobe seines schaffens:

Albert Ebert / Gedicht von Sarah Kirsch, Der Baum der Kneipen

das setzt den ton für heute. kaum erwacht, schon einen café getrunken, die mails durchgecheckt und dann eben die entdeckung von Albert Ebert. alles ganz substantivisch ohne verb, also eine gewisse statik in den aktuell sich bewegenden tektonischen schichten. glauben sie das nicht (ich zu mir selber, die seltsame angewohnheit sich selber mit sie anzureden, ich denke, das schafft die gehörige distanz).

es fieselt, es ist kühl für anfang august. draussen fröstelt man etwas nur im t-shirt. und die erde ist nass, das gras frisch unter den nackten füssen. man erinnert sich. aber die erinnerunen sind so weit weggerückt. damals hatte man einen grossen garten für die nackten füsse.

heute morgen im radio schon die bescherungen, die verseuchung mit plastik, die pensionsfinanzierung und Gaza. in deutschland fragt man sich, ob die fotos hungernder kinder echt sind, was eventuell von einem schlechten deutschen gewissen zeugt. das öffentliche, das über die grenze schwappt, ist eine bescherung sui generis. „die werden immer verdrehter.“, denkt man. und kasuistischer? heisst, die erklärungen winden sich schlangenartig.

B. organisiert ihren tag und das mutet kompliziert an. sie will schon etwas absagen, aber ich wende ein, sie solle gut auf sich aufpassen und also doch zum kinesitherapeuten gehen, eine -in nebenbei gesagt. sie war schon sehr früh im haus unterwegs und scheint recht aufgeregt angeregt.

der himmel ist natürlich grau, wenn die farben des gartens nicht wären, darunter saftiges grün und rot und weiss und rosa, könnte man annehmen, wir bewegten uns auf den herbst zu in windeseile.

im radio gedudel, das sich musik nennt, gefilterte stimmen und einfache bässe mit ein wenig geklimper.

sagen sie jetzt nicht, die welt sei verrückt geworden oder sei dabei, es zu werden. obschon es anzeichen gibt. das, was ist, soweit es ist und das, was anscheinend ist, inklusive behauptungen und propaganda und manipulation, wobei die schon habituell geworden ist.

gestern am wasser, schwanen- und entenkacke auf dem spazierweg, eine rote boje wie gehabt, dekorativ hineingepflanzt ins wasser, ein ausflugsschiff mit kabinen, das leonardo da vinci heisst, auf einem andern zu technoklängen eine weisse party, fährt gerade ab und wendet. motorradfahrer, die in die jahre gekommen sind, eine einzelne gans oder riesenente am ufer, alte weiden und spaziergänger. die skulptur von Moritz Ney auf der promenade. Bacchusbrunnen (der auf einem fass reitende Bacchus hat zu kurze beine, stellt B. fest).

wir sitzen eine weile und schauen aufs wasser, das sich hurtig bewegt. kann man in der mosel baden? frage von B. ich: es sieht nicht so aus, wohl wegen dem wasserverkehr. auf der gegenüberliegenden seite ordentliche weingärten, in reih und glied. man denkt da natürlich an die neuerdings östlich der mosel propagierte „wehrtüchtigkeit“ (ein begriff aus der braunen vergangenheit). es gibt einige leute dort drüben, denen das nicht so gefällt, aber die werden nicht mehr medial zugelassen. das nennt man „meinungsfreiheit“. die begriffe scheinen ein wenig durcheinander geraten. Konfuzius schloss daraus auf eine unordnung im staate.

habe ich noch eine meinung? oder ist das ein luxus, den ich mir nicht leisten kann.

neuerdings zeigt sich die sonne wieder etwas und es ist eindeutig wärmer geworden. die Bauern warten auf den wetterumschwung wegen der getreideernte („karschnatz“). gerade gab es den allmonatlichen sirenentest.

es ist montag im sommerloch, alles verhalten und eher ruhig, am supermarkt gibt es mehr freie parkplätze. im buchhandlungs café sitzt ein mann mit einem border collie vor uns, der hund ist hellwach und registriert alles, anscheinend ist es die intelligenteste hundezüchtung. ich erstehe wie gehabt einige bd’s.

einen hund anschaffen

ich sitze da und warte, auf einem stuhl, einem sessel, einem sofa, ich trinke café, trinke wasser, ziehe mich an frühmorgens oder nicht, dusche oder auch nicht, gehe aus dem haus, gehe durch die strassen, gehe in den wald, denke nicht daran, einen hund anzuschaffen. er hätte einen namen, eine gestalt, ich würde ihn mögen, wir würden in den wald gehen. aber ich schaffe mir keinen hund an.

Baer sagt, er ist mit allem einverstanden, was soviel heisst wie, er ist mit nichts einverstanden; was ändert es, ob ich einverstanden bin oder nicht. natürlich gibt es dinge, die ich scheusslich finde, aber das scheusslichfinden ist nur eine unerhebliche moralische attitüde. noch nie wurde durch attitüden etwas an irgendwas geändert. ich bin nicht resigniert, sagt Baer, es ist nur so, wie es ist, durchwachsen. hier gibt es welche, die wollen unbedingt in den krieg ziehen. und es gibt andere, die wollen das nicht. es gibt empörung und denunziation. in portugal und spanien gab es eine grosse elektrische panne. in canada haben sie gewählt. der papst wurde beigesetzt. das wetter ist schön, die sonne scheint. sonst gibt es nichts zu sagen, sagt Baer. Freud muss aus dem historischen context erklärt werden, seine seelische ökonomie erinnert an die kapitalistische, schreibt ein psychoanalytiker.

wenn man die augen schliesst, wird das gehör scharf gestellt. man ist ein lauschender. natürlich bekommt man einige körperlichen zustände mit, man fühlt sie, wollte ich schreiben, nein, sie erscheinen im bewusstsein.

man fragt sich natürlich, woher die kriegsbegeisterung gewisser leute kommt, sagt Baer, sie würden natürlich die begeisterung abstreiten und von notwendigkeiten und vorbereitung und bedrohungslage sprechen. einige würden die waffentypen erörtern, die für eine moderne kriegsführung geeignet sind.

bewaffnete auseinandersetzung an der indisch-pakistanischen grenze. auseinandersetzung ist gut, sagt Baer, die bringen sich dort um.

im grunde besteht mein schreibideal darin, nur noch zu beschreiben und jegliche klugscheisserei zu vermeiden. also auch meine ansichten und meinungen und überzeugungen beiseite zu lassen. natürlich strebe ich keine Arno Holzsche präzision an. eine genaue abbildung der welt in wörtern kann nur scheitern.

natürlich spürt man alles, sagt B.

die beiträge erhöhen, um 2 prozent, rät der experte und das rentenalter herauf setzen, das vermindert die zeit des rentenbezugs. die perspektive des längere arbeitens beglückt die volksmassen, sagt Baer ernsthaft. er blinzelt nicht einmal. die gewerkschaften des privatsektors sagen, man müsse auch über die renten des öffentlichen sektors sprechen. die gewerkschaft des öffentliche sektors, die gerade einen „erdrutschsieg“ hinter sich hat, winkt ab. das rentensystem ist für sie eine heilige sache.

der kleine knirps sagt, er wolle polizist werden. wir wollen nicht über die orientierungsversuche von knirpsen reden. Baer schaut mich an, während er das sagt. innerlich habe ich nach seinem ersten satz abgewunken, deshalb kam der zweite satz so, wie er kam, ende der debatte. die öffentliche rede des ministeriums für die orientierung von knirpsen kam megaphonmässig rüber, in einem anhaltenden tonfall, wie auswendig gelernt, fügt Baer noch hinzu. ich war da schon an der theke, um den zweiten espresso zu bestellen. heuer waren nicht soviele gäste im caféhaus, es waren mehrere tische frei. ich habe einen koffeinfreien café erworben, der angeblich mehr von seinem aroma bewahrt haben soll. koffeinfreier café ist meist von der gleichen farbe wie café, schmeckt aber nach nichts, ist heiss und man muss die fantasie in bewegung setzen, um den eindruck von café zu bekommen.

das gleiche gilt für das alkoholfreie bier, sagt Baer.

wir hatten eine leichte differenz, was gewisse existentielle grundkonfigurationen anbelangt, haben diese aber schonend beigelegt. Baer sagte, die gemeinsamen ausflüge in caféhäuser seien wichtiger als ansichten. das, was ich über das bewusstsein gesagt habe, ist zwar keine ansicht, aber ich habe Baers friedensangebot durchgewunken.

heute morgen ist es still in der strasse.

gartenwesen

vielfältig die gartenwesen, von links nach rechts: rosenstöcke, die neuen blätter fast rostbraun und dunkelgrün, weiter weg sträucher, bäume und eine wiese voller wiesenschaumkraut in blüte, eine art kresse, lese ich, konsumierbar, dann rechts drei birken und vorne, nahe am beoabachter ein orangener klatschmohn, wiegt sich im winde. die sonne scheint, es ist warm um neun uhr morgens, vogelgezwitscher von allen seiten, man sitzt hier im grünen. es ist sonst still, weder maschinengeräusche noch menschliche stimmen.

wenn man sich lesend auf dinge einlässt, wachsen sie gross, drängen sich auf, werden lästig. weg damit. sie verstellen die sicht. aufwachen, mein lieber, sagt man zu sich selber.

morgens im bett, wird einem bewusst, dass man über einem abgrund geht (tanzt, wollte ich sagen) hinter allen wahrnehmungen spürt man das fallen und es hört garnicht mehr auf. aber das ist nur ein bild. aus schreibgründen zensiere ich meine schriftlichen ergüsse. der schlimmstmögliche fall, der sündenfall in den kitsch. rede ich mit geistern? abwesenden? gibt es jemanden, der insgeheim zuhört, wenn ich mich morgens beim aufwachen stumm über das fehlen eines festen grunds beschwere. suspendu dans le vide. kein grund zum aufstehen, kein einziger. oder nur vordergründige motive, morgens steht man halt auf. abwesend sind sinn und bedeutung.

B. redet am telefon auf der terrasse mit einem unbekannten. unbekannt für den, der von ferne laute hört, die an sprache gemahnen, artikuliertes, moduliertes, aber von hier aus eine lautfolge ohne sinn. „ciao“, das telefongespräch ist beendet. B. kommt herein und bringt grüsse von D. mit, er kommt gerade von Mauritzius heim, elf stunden flug. B. möchte von solchen reisen absehen: elf stunden schlaflosigkeit, sagt sie.

man sitzt an einem tisch, irgendwo, es könnte auch woanders sein, tausend kilometer entfernt von hier zum beispiel, und schreibt, weil man (fast) jeden morgen da sitzt und schreibt.

Baer sagt, du büsst mit dem schreiben. es ist keine frage. ich büsse fürs weglaufen, wegschauen, für die gleichgültigkeit, die hartherzigkeit, die oberflächlichkeit? das frage ich stumm. ich sage laut (zu Baer gewandt), ich büsse für die oberflächlichkeit meiner tage, die zeitverschwendung.

ich setze mich auf den punkt: ernsthaft, hast du noch zeit zum vergeuden. kein fragezeichen! ein vorwurf. ich werfe mir diesen satz jeden tag mindestens einmal vor. er ist das hindernis des tages. wie verbringt man seine zeit? für einen kurzen moment entsteht ein context, ein rahmen, der zu halten scheint. das nagende gefühl, als müsse man unbedingt, ja unbedingt, zu einer wahrheit vorstossen, zu einer konsistenten. als habe wahrheit attribute, als gebe es mehrere. also gibt es gar keine. aber die bewegung im denken und fühlen ist da, ohne zweifel, zu der wahrheit hin.

bei geschlossenen augen fahndet das bewusstsein nach einer wahrnehmung, irgendwo gibt es eine körpersensation, oben, unten oder in der mitte und das dunkel hinter geschlossenen lidern ist nicht rabenschwarz, es ist beweglich, es flutet hin und her, hat aufhellungen und dunkle ecken. das nichts ist kein aufenthaltsort. man schlägt die augen auf und ist hier, farbig alles, ein wogen an eindrücken, hören, sehen, fühlen, schmecken, der mund trocken oder saftig, man spürt den druck der fusssohlen auf den boden, es gibt einen festen grund. man atmet erleichtert auf. man sitzt in einem zimmer, an einem tisch mit roter tischdecke und schreibt. blickt man auf, zum beispiel nach links zur eingangstüre hin, kommen im moment des augenschwenkens schon wieder zweifel auf, genauer, ein einziger zweifel an der konsistenz. das nagende gefühl, dass der context nicht halten wird. dass man auf einem stuhl sitzt, die lehne spürt, den rücken, die sitzfläche und plötzlich feststellt, wie die realität verschwindet für den bruchteil einer sekunde. eine lücke klafft aufeinmal, die welt am draht oder beim anschauen eines films, aufeinmal, ohne sichtbaren grund, die leere hinter den bildern, der leere schirm, gepixelt, flach. plötzliches erwachen.

geigenklänge von nebenan. eine weibliche singstimme. ablenkung. le jeu des apparences.

im fernsehen, das „weltgeschehen“ als zweidimensionale bildfolge, die „weltelite“ in Rom als image d’Epinal, schein, vorschein und nachschein, bildschirmflimmern, ganz unwirklich, namen, gesten in einem absurden stück. „männer, die geschichte machen“? und noch mehr fragezeichen. man schaltet das fernsehen aus und schaut in den abendgarten (das war gestern, als ob es ein gestern gegeben hätte).

ein Hexenhaus im Wald

sich verzetteln, sich abseits in die büsche schlagen, seine zeit verschwenden,egal was lesen, sagen, aber keineswegs tun. keine sätze wie: die welt sei verrückt geworden. am besten lebt man in einem hexenhaus tief im wald, am besten hört man nicht genau hin, am besten geht man viel zu fuss, am besten. ich meine, zu fuss gehen ist gesund, dagegen ist nichts einzuwenden. am besten redet man nicht über das, was sich als politik ausgibt. am besten besteht man auf seinen rechten. man könnte also theoretisch, rein theoretisch gesprochen, die augen verschliessen, die ohren zustopfen und den mund halten. das könnte man. aber das geschrei ist viel zu laut. nolens volens kriegt man die ganze bescherung mit.

ich sagte zu Baer, hast du etwa schlecht geschlafen. aus seiner tirade war nicht zu schliessen, ob er übermüdet war und zeugs redete oder ob er verärgert war, wegen, na, wegen allem.

die aufregung, sagte Baer, die aufregung wegen allem.

zuerst, sagte baer, haben sie sich hinein ziehen lassen, es wurde gründe angeführt, man weiss nicht, ob es die wirklichen waren und nun stehen sie aufeinmal alleine da.

ich sagte nichts, mich ermüdet die aufregung. hatten die keine ahnung, was auf sie zukommen würde. oder tun sie nur so, als seien sie überrascht. einige fluchen, einige reiben sich die hände. jetzt, wo man langsam und vorsichtig an frühling zu glauben beginnt, da die krokusse gelb und violett den garten sprenkeln, schaue ich lange zu, das müde laub raschelt, ich zähle für mich die variationen von brauntönen auf, versuche mich an wörtern wie fahl, kräftig, verwischt, still, unbeweglich, undsoweiter. ich versuche auszumachen, welche qualität die langsam weichende kälte hat, feucht, spitzig, trocken, windig, sonnig. vorbei die zeit, in der die welt im nebel untertauchte und fast unkenntlich wurde. meine laune variert von völlig niedergeschlagen, gleichgültig, gefasst, moderat optimistisch (ohne weitere gründe), amüsiert (wegen der sinnlosigkeit). man, sage ich dann, fühlt sich gänzlich unbedeutend. nirgendwo ist irgendeine bedeutung zu finden.

ausser vielleicht darin, dass ich nach dem ko schlag der krankheit (welche tut nichts zur sache) aus langeweile wieder mit dem (öffentlichen) schreiben von unerheblichem begonnen habe. viel zeit haben, ohne irgendwelche obligationen, ohne den kleinsten druck : das ist ein zipfel glück. lesen hingegen, über kleinere stücke hinaus, ist noch mühsam, mehrere sachen sind liegen geblieben und haben mich seither noch nicht angelockt. vor zwei tagen bin ich nach wieviel tagen (?einer ewigkeit) wieder im park gewesen und bin lange auf einer bank in der sonne gesessen, reglos wie eine alte eidechse. und nach einiger zeit habe ich mich gefragt, ob ich gerade lächle. ich habe das zuerst für unwahrscheinlich gehalten (an einem tag habe ich mich gefragt, ob die tortur nicht einfach reicht…). ich war ganz in der umgebung drin und gleichzeitig ganz enthoben, ganz leicht und fast schon glücklich. ich habe gedacht, ich möchte mich auch am liebsten hinter zitaten verstecken und ganz erhaben tun, aber dann dachte ich auch, das ist mir zu mühsam. ich habe keine zeit mehr für spielchen.

auftauchen tf

myths and fairy tales

You’re writing your autobiography. What’s your opening sentence?

ich schätze diese art von selbsterfindungsprosa nicht besonders.