
über Paris kein wort, denn das kann nur schiefgehn.
vielleicht doch dies, der provinzmensch erfährt eine erweiterung seines horizonts, was, als metaphorisches sprechen paradox klingt, denn man schwimmt in einem häusermeer. man muss, da aus einem nest (vergleichweise) kommend, aufpassen, dass man nicht ins gaffen gerät. die taxifahrer sind zuvorkommend, putin hat neben dem neuen russischen kulturzentrum eine orthodoxe kirche mit drei goldenen kuppeln errichten lassen, der eiffelturm nebenan. etwas übertrieben, eventuell geschmacklos. wenn man viele leute antreffen will, geht man ins Marais. leider war das restaurant auf dem dach des Institut du Monde Arabe geschlossen, bei Finkelsztain aber gab es delikatessen und in der rue de sicile trank man korsisches bier.

abends stellt man fest, flanieren macht müde, flanieren, dass wir uns recht verstehn, ist zielloses herumschlendern und schauen, leute auf terrassen beobachten, café trinken, weiter flanieren, bei berluti am Elysée kostet ein paar sneakers achthundertfünfzig euros, die lederjacken, grün und rot und glänzend tragen keinen preistag, einer der herren am eingang begleitet und erklärt wortreich die waren. Er möchte verkaufen, das ist klar, und man ahnt, wenn man etwas anprobiert, ist man verloren, er wird sagen, sie sehen in der jacke gut aus, nein, er wird sagen, sie steht ihnen exzellent, wie für sie gemacht. da man nicht so farbig aussehen aussehen will, ganz abgesehen davon. dass die preise nicht in frage kommen, entfernt man sich höflich und dankt. da die ausstellung gelungen ist, die ware postpostmoderne ikone und der ton samtig, fühlt man sich erleichtert beschwingt.

um die residenz stehen polizisten in schwarz mit maschinenpistolen, aber keine clochards. rue de rivoli schmeckt der café ordentlich, in den jardins des tuileries herrscht jogging verkehr, hingegen ist die pyramide umlagert. man geht weiter.
spontanes reisen und museumsbesuche schliessen sich neuerdings aus, die bourse de commerce, in der man die schmelzende wachsskulptur besehen wollte, ist im juni ausgebucht. ebenso das orsay. aber zum trost ist die stadt selber museal, darf man das sagen?
abseits, also etwa im 17e am bd Pereire, blühen die rosen, im parc monceau déjeuner sur l’herbe, verfielfältigt und angezogen, natürlich. hier merkt man, Paris ist eine ansammlung von dörfern, ausser an den repräsentativen stellen. man flaniert und entdeckt, auch das, was man nicht gesucht hat.
manchmal denkt man, hier möchte man leben, manchmal denkt man, hier möchte man auf keinen fall leben.

zuhause stellt man fest, es hat sich wenig getan, ausser dem üblichen gekabbel. hier ist es noch immer klein und provinziell, aber man fühlt sich nicht mehr so beengt. man weiss nun, man kann jederzeit wieder weg, als hätte man das vergessen.
In Paris liefen fast alle mit maske herum, abends juckt das ganze gesicht, die lippen sind trocken, deshalb sucht man öfter terrassen auf, trinkt mehr café als nötig, so dass man denkt, man wird nicht schlafen können, aber nachts in Paris wach liegen und an die stadt vom vortag denken, ist äusserst befriedigend. Das hotel liegt, wie gesagt abseits im 17e, es hat einen garten mit bäumen und sträuchern, morgens sitzt man dort und zittert leicht, weil die Sonne noch nicht herein scheint, und vögel zwitschern. es ist ziemlich still. von hier aus braucht man anderthalb gehstunden bis zur place des vosges etwa, aber flanieren kostet viel mehr zeit, man wird immer durch irgendeine wahrnehmung aufgehalten, betritt läden und schaut, begutachtet fassaden und strassenzüge. und geht absichtlich in die irre, weil an der nächsten ecke der ausblick neues verspricht.
da man jemanden kennt, der hier wohnt, fühlt man sich nicht so durch und durch touristisch.
man macht sich keine illusionen, wie es in dem land aussieht, von dem paris das zentrum ist, sozial und wirtschaftlich, meine ich, die politischen nachrichten sind beunruhigend.
viele fassaden sind frisch geputzt, das fällt auf.

zuhause kommen erinnerungen hoch an vergangene parisbesuche.
mit M.
M. kannte sich in Paris aus. ohne sie, so dachte man, wird man in Paris nicht so gut zurecht kommen, aber das hat nicht gestimmt. es ist ziemlich einfach herum zu gehen. man lässt sich überraschen, wo die neugier einen hintreibt oder der hunger, zu Finkelsztain zum beispiel, aber eben nicht zum Institut du Monde Arabe, wo man vielleicht Jack Lang begegnet wäre, der einem mit seinem gefolge entgegen kommt. ich erwähne ihn, weil er jüngst bei einer dokumentation über Mitterand, den Bauherrn, dermassen geliftet aussah. damals mit M. auf der dachterrasse hat er noch nicht so sonderbar ausgesehen. aber damals war die dachterrasse geöffnet und man freute sich auf die tajine, weshalb man Jack Lang nicht so beachtet hat. Man kam damals von einer ausstellung über das schicksal der jüdischen gemeinschaften im osten europas.
In paris fühlt man sich über dem gehen wie jemand, den man vorbei gehen sieht, so leicht fühlt man sich, so unbeschwert von sich selber. fast möchte man lachen, es gibt immer wieder den anfang eines lachens. dabei passiert gar nichts besonderes, man ist ganz zufrieden mit der identität des gehenden, das genügt einem völlig. das ganze brimborium, das man sonst mit sich herumschleppt, ist gar nicht anwesend. das macht so einen Parisaufenthalt sehr angenehm.
mit B. war sowieso alles neu. wie man so eine Parisreise anpackt, im ganzen, meine ich, wo man hingeht, was einen anzieht. wie man auf die dinge schaut, entscheidet sich auch an der frage der begleitung, ob die funktioniert, ob man zusammen zurecht kommt, das stellt sich schnell in einer nebenstrasse zum beispiel heraus. ohne dass erinnerungen hochkommen, wie es einmal war. das kommt später und man vergleicht seltsamerweise nicht.
im übrigen muss ich sagen, die kombination stimmte, was mir an begeisterungsfähigkeit fehlt und bei B. überreichlich vorhanden ist, so dass man mit ihr anders sehen lernt, mache ich wett durch flanierende trägheit, sich treiben lassen auf grosstädtischem pflaster, ein reiner genuss.
