zürich mit maries augen. oder unseren augen. ernsthaft geh ich herum und schaue, lasse die stadt in mich hinein und die leute, weil die sonne scheint am pfingstsamstag ein gedränge. ernsthaft betreibe ich das immer, aber serioös, das fragt michael bei einer flasche barolo, gegenüber der lago maggiore und hinter uns die kleine stadt und danach die grüne hügelige wildnis des valle cannobina.
zuerst widerspreche ich, rede von verantwortung und vorbild (es gibt genug alte, bei deren anblick erfasst einen die panik vorm altern), verweise auf die tiefe meines erlebens, aber, so höre ich mich dann sagen, ein fast erzwungenes geständnis, nein, seriös nicht, jedenfalls nicht ganz. verlässlich hingegen schon, aber überraschend, auch für mich selber.
ich halte mich oft in zwischenwelten auf, brauche viel zeit für mich allein, ich sehe die welt durch eine erschütterung hindurch, sie heisst marie und sie ist tot. seit ich wieder reise, empfinde ich wieder stärker beim anblick von bergen, hängen und wasser, morgens sassen wir neben eienander am lago beim café und redeten nicht. ich notierte, was ich sah, ich sehe durch einen schleier und gehe in welten ein und aus, ich träume am tage, ich erwarte mir nicht, dass sie um eine ecke kommt. mein interesse an politik und ökonmie hat sichtlich abgenommen, dass ein reaktionär tatsächlich sein reaktionäres programm durchzieht, wundert mich nicht, auch wenn es in der zeitung steht. seit marie nicht mehr miredet, lese ich wieder in marxens kritik der politischen ökonomie, damit ich nicht ganz verkomme. sie war immer mehr an hintergründen als an dem offensichtlichen interessiert. mir fehlt das gespräch auf ihrem niveau. während meiner marx lektüre komme ich auf Lenin, Band 14. Materialismus und Empiriokritizismus und Marcel Liebmann, Maries Lehrer. zwei jahre vor ihrem tod haben wir auf unsere weise Slavoj Zizek studiert und zur ergänzung den konservativen pessimisten Philippe Muray, von dem Houellbeque schwärmt. den hatten wir uns auch vorgenommen. Steiner auch wieder und Ballmer, an dem habe ich mir die zähne ausgebissen und Marie davon erzählt. sie freute sich immer über jede meiner schwärmereien, darunter ging es bei mir nicht. ich erwähne das nicht wegen des namedroppings (das auch, natürlich), sondern weil uns dieses geistige erregte, das leben war hoch gespannt und ehrlich gesagt, ich habe nun angst in den niederungen zu versinken, für die haben wir uns auch interessiert.
in jedem meiner träume kommt marie vor, sie ist ganz eigen geworden und ignoriert mich, aber sie ist immer in der nähe.