aufwachen ist wie rückkehr, ich durchschreite eine bildergalerie, stadien meinetwegen, vorstellungen auch, bis ich zu der vorstellung sinn komme, zu dem, was fehlt, und dann brauche ich eine weile; wenn ich mich nicht darauf einlasse, verzögert sich das aufstehen beträchlich, gehe ich jedoch in die abwesenheit von sinn hinein, kräftig genug, schlage ich die decke um, setze die füsse auf den boden und stehe, entschlossen, und daraus folgt dann alles weitere bis zum café bereiten, aber der sinn ist nicht da und aus diesem nicht-sinn speist sich mein tag.
Sinn, so habe ich lange gedacht, ist dies und das, was sich eben so ergibt und ich fûr bedeutend genug finde als motor für meine tage. nun weiss ich sinn ist eine person, eine und eine ist nicht mehr da, nicht so jedenfalls wie personen da sind. und deshalb gerate ich jeden morgen an eine schwelle, an eine tür und die geht erst auf, wenn ich feststelle, nein, körperlich spüre, fühle, bis auf den grund, dass sowas wie sinn mir abhanden gekommen ist, ich finde ihn nicht, ich suche, aber er ist nicht da, das ist eine pein und dann erst gelingt mir das aufstehn.
davon strahlt eine eigentümliche wirkung aus, weswegen ich manchmal nicht vor die tür gehen kann, ich zerflattere mir, offenbare mir selber vor meinen augen, dass meine existenz eine zweifelhafte angelegenheit ist, irgendwie lebt es sich ja so ganz ohne sinn, ohne die eine, aber es ist ein vermindertes dasein, ein kleineres, ein zögerliches, als sei ich meiner gar nicht mehr gewiss, ich stosse dann auf mich wie auf eine nebelbank, man greift hinein und kriegt nichts zu fassen.
andererseits gibt es die tatsache, dass ich doch aufstehe, mit schwung sogar heute morgen, aber wie gesagt ohne sinn, ohne motiv könnte ich auch sagen, aber etwas hebt mich sozusagen aus der horizontale, richtet mich auf und ich gehe herum, die üblichen verrichtungen gehen nun von selber, aber ich weiss, es ist prekär, es ist manchmal wie traum, man greift ins leere und vergisst und sitzt da und sinnt und weiss nicht worüber.
aber es muss nicht so sein, es gibt tage, die sind sehr bestimmt, sehr energisch, sehr zielbewusst, das jeweilige ziel, es ist noch nichts geschehn und doch gestaltet es schon den tag, für einige zeit jedenfalls. ist es vollbracht, stehe ich etwas hilflos da, mit hängenden armen und schaue verdutzt, als habe ich etwas vergessen, etwas wichtiges, ja, was denn, den sinn natürlich und sie steht nicht oben am fenster und winkt mir zu, so als ich kürzlich schon vor dem aufstehn beschloss die blätterdecke vom rasen zu rechen, ein alljährliches ritual, manchmal fällt es in den spätherbst, manchmal in den winter, gerade noch vor regen und schnee, und diesmal also schon mitte november, die kälte tut gut, ich ziehe mich zusammen und gewinne eine provisorische konsistenz wenigstens, und handhabe den rechen, der mich trotz seiner moderneren gestalt immer an ernte erinnert und heuduft und kunstvoll beschichteten pferdewagen, aber nicht so konkret, sondern als durch und durch befriedigendes gefühl, das sich einstellt, sofort, wenn ich den rechen zur hand nehme und beginne. ganz erfüllt davon höre ich erst auf, ohne unterbrechung meist, wenn alle blätter von rasen und wegen unter die bäume und auf die beete verteilt sind und die beiden feigenbäumchen bekommen die doppelte ration und die orangenen, roten blätter des japanischen kirschbaums machen mich klein und kindlich und ich freue mich.
die tätigkeit des rechens bedarf keiner weiteren motivation, sie kommt völlig ohne sinn aus, sie hat ihre befriedigung und erfüllung ganz in sich. aber danach komme ich mir irgendwie überflüssig, zu viel vor und räume schnell den rechen weg, denn sie zeigt sich nie mehr am fenster und kein winken und kein zurück winken, keine zurufe und kein lächeln.
dann sitze ich eine weile sinnlos herum, lesen geht nicht, schreiben nicht, aufräumen ist nur lästig, ich sitze mir selber im weg und wünsche …ja, was eigentlich, sinn, richtig organisierender, lebensstrukturierender sinn ist quasi durch zufall in mein leben getreten. ich bin ein zurückhaltender mensch, eher menschenscheu, verlegen, beredt erst und richtig geschwätzig, wenn ich einigemassen vertraut bin, mich traue und trauen kann, aber als ich sie damals zum ersten mal erblickte… eine elegante, unverschämte, schöne person, ich habe sie von weitem beobachtet, sie war tatsächlich immer elegant, auf eine nebensächliche art, burschikos, das war sie auch, es war etwas unwiderstehliches an ihr, so dass ich näher kam und mich so sehr traute, dass wir nach drei monaten heirateten, da begann ein regelrechtes abenteuer, so habe ich es erlebt, so erlebe ich es nicht erst jetzt, vor allem war da plötzlich auf dem leben eine beleuchtung, ein lichteinfall, eine farbe, eine dunkelrote, samtige, die nicht nur nicht mehr weg ging, sondern eindeutig sinn war, eine, nach der ich gesucht hatte. denn sinn, wie gesagt und nochmals betont, ist für mich person, eine.
und immer, wenn ich für momente jedenfalls, mit andern sinn erlebe, dann empfinde ich das, was ich gar nicht erklären kann, ich erlebe es als urphänomen, sinn als person.
sinn, so seltsam das klingen mag und ehrlich gesagt ich schätze das seltsame über gebühr, sinn also ist in meiner erfahrung erzieherisch, er zieht hinan und hinauf, deshalb sogar als abwesender diese auferstehungsrichtung am morgen, dieser fast unwiderstehliche sog in die senkrechte, selbst bei erlebtem abwesendem sinn, weswegen ich durch diesen sinn als person weniger tölpelhaft geworden bin, denn eigentlich war ich in vielem ein dorftrottel, ein bauernlümmel, ein ungehobelter, sie hat mich raffinierter gemacht, hat meine sinne für schönes um einiges erweitert, verfeinert und mich erträglicher gemacht, auch für mich selber.
weswegen es heute morgen, kurz nach dem aufstehn zu so etwas wie einer erhellung gekommen ist, trotz allem.