so etwas wie wahrheit

inventar

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sonnenflecken auf stuhl und tisch und buchstapel (die noch ungelesenen, angelesenen) die frische luft, noch kühl gegen zehn, aber eindeutig frühlingshaft  – eine graue taube auf dem kamin (und schon wieder weg) – „ich ist ohne du und wir eine tonnenschwere last, kollabierend“ (so ähnlich gestern abend gehört) – ein wenig verzweiflung in einer ecke, in einer andern ein wenig erleichterung, in einer dritten verspieltes, in einer vierten erwartung (unbestimmt), in einer fünften (die gibt es) ist alles ganz anders – „Das wortlose, blinde Verstehen ist … ein fester Topos der Liebeslyrik “ (gelesen bei Judith Schalansky, Verzeichnis einiger Verluste im kapitel über Sapphos Liebeslieder, S. 128), ist gelebte erfahrung und weltriss, wenn es zu ende ist – „Nicht eins und doch“ (Christian Enzensberger, titel seiner „Geschichte der Natur“) – „Später, als er wieder fragen konnte, hat er die Steine gefragt“ (ebendort, S. 121) – er fragt sie jeden tag, um etwas heraus zu finden über ihren jetzigen aufenthalt – „I cannot say, and I will not say / That he is dead- . He is just away!“ ( James Whitcomb Riley): ein bekannter schickte mir das gedicht „away“, das „he“ ersetzt durch „she“ und ich merkte beim lesen, wie es alles noch schlimmer machte und einfacher, erträglicher, sie, allein unterwegs wo ganz anders und mir unerreichbar (und das gab natürlich wieder hieb und  stich) – trösten wollen ist so eine sache, man trifft immer irgendwo ganz daneben, jedenfalls bei weiterem bedenken – die violette orchidee auf dem tisch: ich erwische mich dabei, wie ich bei allem und jedem (blumen sind nie „alles und jedes“) frage, was hat es mit ihr zu tun (eine ganze menge) – die menschen sind so fern, sage ich, und im gleichen augenblick, ich bin so fern „von allen“, aber ihr bin ich nah (ich halte mich fern, denn ich befürchte verluste) – dopamin wird auch ausgeschüttet bei negativen gedanken, also auch bei schmerz? (der suchtcharakter davon) – die goldfische im tümpel sind aufgetaucht, ich erhasche vom wohnzimmerfenster aus eine orangenen fleck – heute nachmittag werde ich im garten arbeiten (so tun als ob, in wirklichkeit wird es ein besuch bei alten bekannten), die meiste zeit verbringe ich mit hinhocken und schauen – ohne marie ist der garten gar nicht denkbar – überhaupt: was verdanke ich marie ( versinken in gefühlen und gedanken eines eigenartigen lebensinventars) – es gibt keine tätigkeit, die keine erinnerung enthält, jeder hüftschwung, jede körperdrehung ist voller erinnerung – was ist schönheit – bei wem habe ich schönheit gelernt – bei wem sonst – die boutade über den jogginganzug ist keineswegs abwegig (Karl Lagerfeld): es ist ein anzeichen der flächendeckenden verlotterung  – in der stille des samstagmorgens ensteht so etwas wie wahrheit.

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