tagebuch eines wahnsinns, werde ich das hier nennen, tagebuch nach dem tode von marie z., tagebuch wozu. nun so langsam, langsam beginne ich mich leer zu fühlen, selbst das sagen, das aussprechen hilft nicht, nichts hilft und doch gibt es in mir einen, der schreibt, manisch schreibt er am rande der depression, was für ein wort, schreibt er, er fragt nach jedem wort, was sagt es, was vermag es zu sagen, druckabfall also, am rande des druckabfalls in der kabine, die sauerstoffmasken fallen, erwachsene setzen sie zuerst auf, danach kommen die kinder dran, hat einer die kabinentür geöffnet, den notausstieg betätigt über den alpen und die wasserrutsche ist bereit, fertig aufgeblasen und nun fällt der druck, das aufgeblasene weicht, zurück bleibt ein häufchen elend, wimmernd in einer ecke?
so ist es nicht.

aber einer schreibt, als schreibe er bis zum letzten atemzug an einem seltsamen werk, einer endlosen wortmelodie, einen endlosen wortstrom aus sich heraus setzend, schreibend wie einer, der sonst nichts mehr kann, hinaus gehen ist gefährlich, die luft tut so gut, die frische, aber er verkriecht sich am tisch hinter der maschine und haut in die tastatur, schon gleich nach dem aufstehen sitzt er da und schreibt und schaut nicht hinaus und sieht keinen vorbei gehen, sieht nur die tastatur und den schirm, vor allem die tastatur, die abfolge der buchstaben und das resultat interessiert ihn nicht. nichts kann ihn aufhalten, wortungetüme hinaus zu spucken und nie mehr aufzuhören, weil er dann nicht da sitzten muss in der unerträglichen stille, in dem haus, das sie so ausfüllte, als sei sie in wirklichkeit so weit und so gross wie das haus und noch viel weiter und grösser, dann muss er nicht die wände betrachten, die bilder, die er für sie aufgehängt hat, noch etwas höher, noch mehr nach links, ja, so ist es gut. wenn zwischen den sätzen eine stille entsteht, eine atemlose pause, dann ist es, als falle er in einen stummen wortlosen raum, der schlimmer ist als die hölle, von der der pfarrer sprach, als er klein war auf dem dorf, in dem seltsamste sachen passierten, noch schlimmer als im letzten roman von julie zeh, überhaupt das dorf, aus dem sie ihn endgültig befreit hat, du sahst nicht so aus, als kämst du von da, sagte sie, du sahst ganz anders aus, und er haut in die tastatur, um noch ein wenig von iher präsenz herauszuhauen und gerade dann, wenn er die wörter setzt, entfernt sie sich immer mehr.
sie entfernt sich, das ist normal, sagt er sich, sie ist schliesslich jetzt die welt, mit jedem tag, jeder stunde, jeder minute, jeder sekunde immer mehr, aber er weiss nicht, wie er mit der welt reden sollte und wie die welt nun redet zu ihm.
schau dich um, hört er einen anderen sagen, hör dich einfach um, spüre hinein, dann geht es von selber, als ob das einfach sei, einfach hören und fühlen und sehen und all das andere, das spüren auf der haut, in den fingerspitzen, in den haaren und an brust und bauch, da spürte er sie, wenn sie aneinander geschmiegt einschliefen, nicht einschliefen, weil der andere einen atemlos machte, weil der andere als anderer, als gänzlich fremder körper, als nicht der eigene körper mit haut und haar so aufregend war, dass er ausser atem geriet und nächtelang wacher lag als an irgendeinem tag.
nun kommt es langsam heraus, er hätte ihr noch stundenlang antworten mögen, auf ihre immer völlig überraschend kommende aufforderung, sag mir was liebes, mitten in einem gespräch über gott und die welt sagte sie das, was ihn dermassen überrumpelte, dass er gar nichts zu sagen vermochte, er war mit stummheit geschlagen, wie gelähmt die stimmbänder, er konnte nichts sagen und lenkte ab, lenkte um und nun möchte er auf alle verpassten gelegenheiten zehnmal am tag nur noch antworten, ich liebe dich, selbst wenn du toter als alle toten wärst, das ist mir egal, ich liebe dich, ich liebe dich, nur noch ich liebe dich, als gebetsmühle, als lebendige gebetsmühhle, ich liebe dich verdammt noch mal, scheiss drauf, ich liebe dich.
und das, so schreibt der schreibbesessene einmal für allemal, und das, so schreibt er zehnmal, hundertmal, tausendmal und weiter ohne überhaupt irgendwann aufzuhören, das ist das einzige, was überhaupt noch zählt, der einzige sinn, den es jemals in meinem leben gegeben hat, und sonst keinen.
buchstäblich, die worte hingeknallt, auf den tisch gehauen, wütend, wahnsinnig und völlig durchgeknallt einfach nur noch ich liebe dich schreiben bis ans ende.
scheiss auf das ende und noch darüber hinaus, überhaupt nicht mehr aufhören wie chaplin in modern times zuckend obsessiv gar nicht mehr aufhören, ewig weiter machen, weil es der einzige sinn ist, den ich jemals hatte.