schreiben drum herum

 

im grunde ist es ja ein schreiben drum herum, es geht nicht anders; die sprache ist metaphorisch und nicht genau, gottseidank nicht genau; also annhährungen, umkreisungen, das ungefähre, denn wer kennt schon die nuancen meines erlebens.

schon als junge im internat schwebte mir vor, eines tages die genauen wörter für alles zu finden, für alles, ja,  für mein erleben der welt.

irgendwann dämmerte mir, das wird nicht gehen, die sprache lässt dich ganz nah heran und entzieht sich dann, sie spielt mit dir mehr als du mit ihr, bestenfalls wird es ein spiel, bei dem du jedes mal verlierst und doch beginnst du immer wieder.

meterweise mit zeichen angefüllte notizbücher im glasschrank, die frühen haben wir,  marie z. und ich in einer badewanne ertränkt, erinnerung macht das ich, aber zuviel ist zuviel, und ehrlich, die sachen kann ich nicht lesen, ich vermute übergrosse sentimentalität und vor allem ungenauigkeit, nein, so war es nicht, nie genauso und das schmerzt mehr als eine verpasste gelegenheit.

demnach auch jetzt: umkreise ich bloss den verlust, die leere stelle, die neu herein gebrochene stille. ich erreiche sie nicht, nicht mit wörtern.

lassen wir einfach das ich weg, dann ist es  so, dann ist alles so, wie es nun eben ist, kein ich zum beklagen da, ein uferloses erfahren und bei der frage, wo ist das subjekt des erfahrens, passe ich, vermutlich ist es die welt, meinetwegen auch das universum oder gott oder die weltseele des giordano bruno, einer aus meiner familie.

zugegeben heute morgen, als ich zur post ging, schien aufeinmal die sonne und der verlust war die strasse hinunter erträglich und ich fragte mich fast schon wieder beschwingt, wen schickt die welt mir jetzt entgegen, so dass ich gewisser weiss, was ich eigentlich ist, der wind und das schneetreiben und der mann mit der roten hose und der sonnenbrille an der ampel und die nette frau am schalter des postamts, der ich erkläre, warum ich auf diesen brief und sicher nicht auf  jenen die briefmarke mit dem fliegenpilz geklebt habe. wir waren uns, nebenbei gesagt, einig, dass es eine gute wahl ist.

nachts ist es schlimmer, wenn der wind am kamin rüttelt und über die schieferplatten schnarrt und regenböen über den dachfirst fetzen, da überfällt mich platzangst. ich brauche einige zeit, um zu denken, ich bin einverstanden mit meinem tod.

sowieso sterbe ich jeden tag ein wenig, das ist imgange seit meiner geburt und an wenigstens einem sargnagel habe ich sicher mit gewirkt. schieben wir das ich beiseite, dann wird etwas sichtbar, das in unsere hybris so gar nicht hinein passt: es gibt etwas wie schicksal und an vielem sind wir bloss mitwirkende und nicht, wie wir es gerne wären, götter schon oder wenigstens halbe, akteure der haupt- und staatsaktion.

niemand muss dem zustimmen.

092
Karl Ballmer

wenn ich, wie gesagt, das ich vergesse, wenigstens für kurze zeit, wenn es gelingt, dann erfahre ich trost. beileibe keinen persönlichen. ich sage mir dann, die dinge geschehen, die trauer geschieht, der verlust, das unhörbare schluchzen um mitternacht, das scheissgefühl, ohne sie nichts zu sein, die vernichtung, das nichts, aus dem alles kommt.

neuerdings glaube ich an die creatio ex nihil.

denn anders kann ich mir gar nicht erklären, was mir soeben zustösst.

gibt es so etwas wie sinn? frage ich mich und ich höre mich sagen: vielleicht.

zum beweis schaue ich mir bilder an, picasso meinetwegen, klee, ballmer oder tatsächlich einen von den noch lebenden.

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