Das wars, man sollte nichts überreizen

Langsam geht mir auf, diese Art des Schreibens ist ausgereizt.

Ich sitze da und lausche den Schlafgeräuschen der Katze nebenan, sie seufzt wie ein Mensch, manchmal quietscht sie.

Ich habe mich durch geschrieben, ich meine nicht einmal, dass das Schlimmste des Trauerns vorbei ist, aber dort, wo ich ich mich nun befinde, wird anders getrauert, im Tun und vor allem im Lassen.

Man sitzt da und fühlt sich allein. Das Wort verlassen ist mir vergangen. Seit ich Katzen füttere, ist das Weinen in meiner Hand, es ist fürsorglich geworden und ich kann wieder absehen von mir. Es gibt Bedeutenderes, im Garten gibt es welche, die brauchen einen, ihre Schönheit zu sehn. Das bedarf keiner Worte, die sind nicht tauglich dafür.

Mit den Worten beschwöre ich Marie nachts herbei, alles ist sagbar, nur behalte ich es für mich, weit genug bin ich nun dazu. Was ich ihr sage? Das weiss sie allein. Nur sie teilt die Wörter und Sätze der gemeinsamen Zeit. (Ich dachte irrtümlich, ich würde ihre Erinnerung hier beschreiben können, ich sage nur, sie ist selbst dort, wo sie noch nie war, jetzt.)

Das ist exklusiv, elitär, ich weiss es, es schliesst aus, es gab es nur einmal, nur einmal hatte es soviel Zeit und alles Neue wird anders,  die Wörter mit ihr sind unübersetzbar,  über diese Hürde kommen sie nicht. Ich werde eine andere Sprache lernen müssen, ich dachte, ich könnte es in der alten. In Wirklichkeit habe ich nur geredet mit ihr und niemand sonst, ich wollte ihr ein Letztes beweisen, ihre Asche zum Tanzen bringen, mehr in Ton, Rhythmus und Bewegung als mit lexikalisch-semantischer  Eindeutigkeit.

Es war mein Abschiedsgesang, er ist nun verklungen.

Die Wörter waren nur Krücken, ich hätte auch andere hinsetzen können. Ich habe einen Vorwand gebraucht. Es gab immer nur eine Adressatin, und manchmal redete sie und nicht ich.

Dass wir es öffentlich taten, lag daran, wir mochten den öffentlich ruchbaren Skandal, wir waren keine feinen Leute der feinen Gesellschaft, wir exhibierten selbst unsere Zwiste, inszenierten Kräche an öffentlichen Plätzen und ich hatte das deutliche Bedürfnis, ihr Sterben öffentlich werden zu lassen, unseren letzten Skandal. Ich war es ihr schuldig, denn sie zeigte, wie man es tut, unerschrocken und standhaft, ja, fast spöttisch heroisch. So wünsch ich es mir, diese Stärke und Unerschrockenheit, und zuletzt diese schamlose Hingabe an den Tod. Sie war mein Lebensmensch, der einzige. Auch diesen Kredit zahle ich nun doppelt und dreifach zurück.

Wie ich mit neuen Menschen reden soll, das liegt noch vor mir, ich beginne es immerhin für möglich zu halten. Vielleicht bin ich auch nur narzistisch vermessen und arrogant, das waren wir auch zeitweise zusammen, man zahlt am Ende den Preis. Ich bin kein umgänglicher Mensch geworden, ich habe mit Marie einen Standard gesetzt, der macht einsam, ich habe Ansprüche und nicht gerade geringe, nämlich in Ansätzen wenigstens verstanden zu werden, und das heisst, in meiner umfänglichen Ungenügsamkeit. Marie wollte unterhalten werden und ich von ihr, ich habe mich nie mit ihr gelangweilt, manchmal haben wir uns alleine zu dem Zwecke den Krieg erklärt und einmal auch der kleinen Welt, in der wir beide arbeiteten. Ich bedaure nicht den kleinsten Fitzel davon, aber ich spüre die Verbundenheit übers Grab hinaus. Wie man damit leben kann, davon habe ich nicht die geringste Ahnung, Wir beide wollten nie angenehm sein, obschon wir am Ende milder waren als an unserem Anfang und endlich begannen die Menschen zu lieben.

Marie war intelligent, elegant, verletzt und schön, die Mischung hat mich sofort überzeugt. Ich war ihr verfallen, ich bin mit ihr manchmal durch die Hölle marschiert, ich habe mich für sie geschlagen. Vieles in unserm Leben habe ich alleine ihr zum Gefallen gemacht, auch wenn es mich meinen Stolz kostete. Ich sage nicht, dass wir beide die sympathischsten Leute waren, wir sind vielen Menschen begegnet, es sind wenige, die uns über lange Strecken begleitet haben. Aber es gibt welche, erstaunlicherweise, und ebenso erstaunlich ist es, dass es Leute gab, von denen wir gerne lernten. Es sind Scharlatane darunter, aber wie einer sagte, es gibt keinen, der nicht eine gehörige Lektion parat hatte. Im Grunde halte ich mich selber aus langer Erfahrung für nicht besonders interessant, aber sie verlangte das von mir, interessant zu sein, und am Ende bin ich es deshalb vielleicht doch noch geworden. Vielleicht lag es an meiner Durchschnittlichkeit, dass ich sehr oft, meistens das Gefühl hatte, Marie verlangt Höchstleistungen von mir, auf allen Gebieten, sie machte da keine Ausnahme und liess schwache Leistungen nicht durchgehen. Ich kam vom Dorf und hatte vom Leben keine wirkliche Ahnung.

Wir haben uns geliebt und bekriegt, bevor wir einen heftigen Frieden schlossen.

Wie gesagt, ich habe nun eine andere Sprache zu lernen. Denn die Begriffe, die ich kenne, sind alle Marie infiziert und haben eine intime Bedeutung, eine semantische Verschiebung hat 36 Jahre lang statt gefunden. Ich merke nun im Austausch mit anderen Menschen, wie sehr.

Demnach bin ich wieder ein Anfänger.

Ich bedanke mich bei allen, die diesen Blog begleitet haben, durch Lesen und Kommentieren und Liken.

Das wars, man sollte nichts überreizen, vielleicht sehen wir uns mal, irgendwo bei einem Expresso oder zwein und kommen ins Gespräch, jedenfalls:

Alles Gute. Und wie Spock sagte: „and prosper“.

3 Gedanken zu “Das wars, man sollte nichts überreizen

  1. Halte still….die Füße im Untergrund…zappeln gilt nicht..Du schweigst mit dem Mund…Halte still….Damit niemand es wagt….Und alle vergessen warum sie leben…die einen zappeln…die anderen streben…und ich bleib daneben…….Grüße an Theo Fischbach

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