der morgen ist eine einbuchtung in den beginnenden tag, sie ist gerade gross genug, es reicht für einen ersten gang zu zeitung und café und einem ersten nichtverstehn. ich sehe nur noch einen haufen partikularismen, einzelinteressen, sie werden wütend verteidigt oder siegessicher und politiker aller couleur um einen behälter und die gesichter erwartungsvoll in die kamera und was passiert so aufregendes, wenn ich euch wähle.
ich bemerke zwischen dem, was ich sehe, medial vermittelt, zeitung, internet fotos und statments, und spüre (es macht mich ratlos) und dem, was ich gerade lese (eine studie über das moderne subjekt und die pornografie (die dissertation von svenja flasspöhler, „der wille zur lust“) und das gerade erschienene buch von charles eisenstein, „climate, a new story“) eine riesenkluft, um nicht zu sagen einen abgrund, unüberbrückbar (abgrund auch in der anhörung im amerikanischen kongress, die ich mitverfolge aus freundschaft und wegen dem, was sich darin zeigt, ein riss mitten durch die realität).
demnach, eine runde von politikern um eine grundsteinlegung, die gesichter heiter, freundlich und erwartungsvoll (wahlzeiten eben) oder zahlenspiele mit nicht existenten steuerlichen yoghurtgrössen (auch wahlkampf) und ich traue dem frieden nicht, es ist ein frivoles spiel und die erde bebt doch gerade?
nabelschau, wenn ich rückfrage bei mir, wie sich das anfühlt?
es macht mich ratlos, ich steige in dem fall lieber aufs rad und fahre dem wald entgegen, meist am morgen, um keine hundebesitzer beim waldgang zu erschrecken, ich bremse dann ab und sage manchmal sogar schuldbewusst: entschuldigung und füge hinzu, kleinlaut: guten morgen.
ich weiss nicht wieso, aber der wald beruhigt mich, ich habe das deutliche gefühl, willkommen zu sein, menschen erschrecken mich manchmal, die gesellschaft ein hüh, ein hott und kein plan (die betonung, wir haben doch einen, weist auf das gegenteil ist wahr). ich kann nicht sagen, ich lebe in panik, ich weiss, es gibt methoden der sortierung und standpunkte, vielfältige, und eine analytische fähigkeit und erklärungsansätze und eingreifnde ideen, welche die realität durchsichtiger machen, aber ich falle trotzdem über mein unverständnis wie jüngst mit dem rad über einen baumstamm an einer wendung des pfads und meine übersetzung war zu klein, kleinarbeit verlangt präzision, sagte ich mir, als ich da lag und das blut über die schuhe rann. im wald rapple ich mich dann auf und fahre weiter, inzwischen bin ich alt genug, um etwas wegzustecken, aber diese frivolität, die mir neuerdings entgegen kommt, die deklarationen mit leichter hand und fester stimme, die behauptungen und das rumoren rechts und dann links oft auch nur hilfloses fuchteln, das verstört mich.
wohin treibt der laden? und ich merke, er liegt mir doch am herzen, ich mag die gegend, aber sie ist weit und reicht über grenzen und ich liebe die sprachenvielfalt und was heisst es denn, wenn plötzlich alle erklären, sie liebten das land so sehr? was hat die zuneigung und liebe für konsequenzen und warum muss das ausgerechnet jetzt so hervorgehoben werden, diese unbändige liebe.
soweit ich weiss, schaut liebe genau hin, übersieht nichts, macht keine faulen kompromisse, ist wahr (bis zu den tränen), scheut abgründe nicht, kennt oder ahnt wenigstens, der andere hat auch ein dunkle seite. manchmal denke ich, unsere hauptantriebskraft ist die zerstörungslust, der natur, der sprache, des fühlens, der empathie, der einfühlung vor allem, der allerelementarsten, und der selbstreflexion, denn man sitzt ja nicht aussen von allem, man ist selber affiziert, hass ist ja nicht bloss auf der anderen seite, von wegen nabelschau).
der ausdruck eines guten bekannten als kommentar auf diesem blog hat mich, ich pflege eine gewisse ehrlichkeit, wütend gemacht oder sagen wir zornig, also, der hat doch gar keine ahnung und um das klar zu machen dies:
manchmal sitze ich da, schaue mir die realität an, die kleine, meine also, und die grosse und erkenne keinen sinn, beim besten willen nicht, ausser: eine maschine jagt sinnlos vor sich hin (was sie tut ist kalt, sie zermalmt auf ihrem vorbeiziehn), dann sehe ich auch nicht ein, warum das sitzen noch sinn macht, das gehen, dann erfasst mich ein weh, das ein abgrund ist. irgendwann, keine zeit, nur das licht im zimmer hält mich noch, erscheint sie, marie, eine gedanklich sehr deutliche präsenz (auch gefühlt) und weckt mich auf von den toten, so dass ich im ernst sage, die kraft, die mich am leben hält ist sie, so einfach ist das und dann erst kann ich einen blick nach aussen werfen in diese sinnlos gewordene welt und fasse langsam fuss, behutsam, und traue der erde und sehe , dass es noch gutwilligkeit gibt und denkernst und schwarzen humor und dann sage ich trotzdem, ein trotziges trotzdem.
GEDICHT VON RILKE:
„Tod der Geliebten“
Er wußte nur vom Tod was alle wissen:
daß er uns nimmt und in das Stumme stößt.
Als aber sie, nicht von ihm fortgerissen,
nein, leis aus seinen Augen ausgelöst,
hinüberglitt zu unbekannten Schatten,
und als er fühlte, daß sie drüben nun
wie einen Mond ihr Mädchenlächeln hatten und ihre Weise wohlzutun:
da wurden ihm die Toten so bekannt,
als wäre er durch sie mit einem jeden
ganz nah verwandt; er ließ die andern reden
und glaubte nicht und nannte jenes Land
das gutgelegene, das immersüße -.
Und tastete es ab für ihre Füße.
mike
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