auch mein furchtbarer ernst ist ein spiel

 

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vom weg abgekommen, gestrüpp um die ohren, hast, ich renne, schlagruten ins gesicht, weiter vorne ein farbiger fleck, entfernt sich, ich bin viel zu langsam. war sie das.

so nachts, so in träumen, so verwirrt und morgens tastet eine hand nach einer andern und da ist nichts.

der schmerz nimmt nicht ab.

nachts warte ich auf zeichen.

tags bin ich still, in mich gekehrt, „ein mensch einsam in seiner kulisse, ich“, schrieb sie einmal; ich lese jeden vergilbten einkaufszettel von ihr wie ein gebet. vor jedem foto von ihr spreche eine beschwörung.

nachts lausche ich angesterngt.

nachts ist sie in der leere am nächsten.

der schmerz macht mich noch immer still; selbst wenn ich grüsse, freundlich, und lächle, bin ich nicht da.

ich beschreibe minutiös, wie der schmerz mich erwischt und mich bannt in die ecke, jedes glied tut weh, im denken panik oder leeres rauschen.

das licht hält mich am leben, zäh, ein eichenknorren.

dass das leben mich noch hält.

alle reden von zeit und der zeit, die es nimmt, um eine solche abreise zu verkraften, alle reden von erinnerung, ich lebe hingegen in einem sturm und alles ist still, angestrengt lausche ich in die leere.

auf einem foto schaut sie mich liebevoll an, ich verliere die fassung. an dem tag rege ich mich nicht. die leute sagen, die zeit. mit ihr lebe ich in keiner zeit. ich träume nachts, es habe einmal einen menschen gegeben, der hiess marie, aber das ist lange her. morgens erwache ich gepeinigt.

alle todesanzeigen reden von marie, alle sterbedaten, alle gesichter.

ich weiss gar nicht, was erinnerung ist. ein foto trifft mich wie ein schlag ins gesicht. der körper ist ein schlag und ein wimmern. keine zeit ist seither vergangen.

sie sieht mich an beim tanz vor drei jahren und es ist jetzt. ich spüre ihren blick auf meiner haut.

nachts bin ich nur ein lauschen.

manchmal krümmt sich etwas weg. manchmal bin ich das.

es gibt eine freude, ein ganz kleines glück, aber nur unversehends, nur zufällig; ich überquere die strasse und plötzlich spüre ich  freude, so etwas wie, aber woran? am gehen, denn gerade gehe ich, gerade spüre ich die kalte luft im gesicht, tanze ich tango für drei sekunden, ganz ohne grund, ganz sinnlos, ganz ohne marie, ganz ohne ich, nur das.  kein ich in einer kulisse, keine kulisse, keine einsamkeit, nur das.

ich ertrage nichts mehr ausser dem spielen.

auch mein furchtbarer ernst ist ein spiel, der tod lässt nichts anderes zu.

mein spiel ist ernst, voller trauer, voller angst, voller freude. ich spiele, wie war das leben mit marie. ich spiele, sie ist überall und ich darin, dann vergesse ich alles und mich.

eines tages, so spiele ich, und das ist jetzt, beginnt ein anderes leben.

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