die gegensätze sind vorbei?

„wer ohne fehl ist, der werfe den ersten stein.“ man kennt den satz.

dessen eingedenk, dass ich nicht „ohne fehl“ bin, muss ich mich doch ein wenig aus dem fenster hängen.

vielleicht hat es mit dem regen zu tun oder mit dem zuhören, dem längeren zuhören, wenn frauenstimmen sehr laut werden, ja, zornig, ja, wütend, wie kürzlich. das sind noch immer jahrtausendstimmen, die von einer geschichte reden, die weder glorreich ist noch lustig.

beim zuhören, beim genauen längeren hinhören höre ich dieses uralte immer noch mit. es ist nicht einfach weg, es ist nicht einfach eingesargt in etwas, das man „geschichte“ nennt, es ist nicht vorbei und erledigt und dokument für die historischen spezialisten. ich kann beim besten willen „geschichte“ so nicht  lesen, sie ist immer noch im gleichen raum, sie ist nicht weg, weil etikettiert  „vergangen“: damals wurden die frauen …, aber heute …

das höre ich jetzt aus den lauten, ja frechen, ja unverschämten (endlich keine scham mehr) stimmen heraus, aus den lauten, schrillen und zornigen stimmen und es geht noch weiter, es ist nicht vom tisch.

ich habe keinen kommentar dazu auf vorrat, ich sage bloss, dass ich es höre.

ich muss mir nicht sagen, jetzt hälst du besser die klappe, jetzt bist du still und hörst zu. das hinhören, das genaue, ja, leicht aufgeschreckte hinhören geht von selber.

was ich höre, redet von mir, auch von mir. niemand sagt, du bist aus dem schneider. aber das hinhören kann ich nicht lassen. und hinhören genügt nicht nur in diesem fall völlig, ich muss mir nichts ausdenken, muss mich nicht fragen, was ficht die denn an.

ich halte die klappe, ich bin kein versteher. ich begönnere nicht gern. es ist aufrüttelnd genug. ich muss dem gehörten nichts hinzu fügen. ich muss nicht sagen, es passt mir, es passt mir nicht. es ist nicht immer angenehm.

warum ich dann doch was sage?

wegen der  warnrufe, wegen dem aufruf zur „mässigung“, weil die „gemässigten“ verschreckt würden, weil das schreien zu laut sei und die parolen zu radikal, weil man doch geglaubt habe, die gegensätze seien nun vorbei, weil man doch jetzt gleich sei und alles eins. weil man nicht verstehe, dass jetzt wieder gegensätze „aufgebaut“ würden, weil jetzt begonnen würde, die männer zu diskriminieren,

weil man doch bitte trennen solle zwischen werk und autor und mensch, weil Heidegger eben ein grosser filosof sei und „die schwarzen hefte“…, nun ja, „die schwarzen hefte“ und Céline eben ein grosser romanschreiber und sein virulenter antisemitismus…, nun ja, was ist damit, was sagen wir dazu. der künstler als „privatmann“?

es gibt auch frauen, die das sagen.

es gibt aber auch frauen, die dann den raum verlassen. denen danach gesagt wird, ihre karriere sei nun beendet.

sie sollen nicht so laut schreien, sie seien zu radikal, wird ihnen gesagt, das verschrecke die „gemässigten“.

ich kann mich persönlich an zeiten erinnern, in denen man den satz schon gehört hat.

vielleicht ist nun doch der moment gekommen, in der man nicht mehr nach mässigung ruft, sondern nur noch zuhört, einfach aufmerksam hinhört und das gehörte meditiert, überhaupt zuhören als meditation. bis der groschen fällt, das lichtlein aufgeht, das brett sich löst.

ich rede von mir.

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Marie de Bourgogne ou la la fragilité des jours von Marie-Françoise Barbot

 

 

 

 

 

 

 

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