drei ältere herren im talk

am anfang sagt man sich, das ist doch nicht möglich. dann merkt man langsam, es gibt viele verschiedene welten, der konsens macht die realität. man sucht verzweifelt nach übereinstimmung. wer mich bestätigt, der ist meine freundin, mein freund.

wenn es so einfach wäre. die dissonanz ist wesentlich fruchtbarer, vor allem die kognitive. man wird urplötzlich aus der bahn des eigenen denkens und fühlens geworfen, man stutzt, man sieht für einen moment ausgesprochen dumm aus, man fühlt sich auch so.

und dann gibt es noch die andere dissonanz. jüngst hörte ich ausnahmsweise einer talkrunde zu, drei  respektable ältere herren äusserten sich über mai 68 und schule. es erstaunte mich, wie die herren mai 68 nach und nach wegräumten, wie meine eigenen erfahrungen gar nicht existierten, eine einbildung meinerseits. und während sie redeten, wurde es zunehmend ein hintergrund murmeln und meine erlebnisse begannen aufzuleuchten, ich spürte ihn wieder den aufbruch, die lust an der veränderung und die öffnung einer doch sehr kleinen welt. alles veränderte sich damals, vor allem aber die wahrnehmung. ich rede nicht einmal von parallelen lektüren, vom studium der gesellschaft und vom sturz der autoritäten. es gab wenige, die blieben auf ihrem podest, die anderen fielen, hinter der form war kein inhalt mehr, der hielt. sie standen ziemlich dürftig vor uns und ruderten, es war nie mehr dasselbe, es gab so etwas wie ein freies denken, so eine entdeckung nimmt einem keiner, auch keine drei älteren herren im talk.

das ist es ja auch, was ich so vermisse, meine privilegierte partnerin im denken, im erkunden von grenzen, im leben der geistigen freiheit, im schönen tun, sie hat mich fast stumm zurück gelassen, mir fehlt maries erfrischende frechheit und liebenswürdigkeit in allen denkübungen, im alltäglichen sein und bitte keine parteisturheit, keine eingefahrene denkschiene wie jüngst im radio, kein holpern des denkens und sprechens im immergleichen geleise. irgendwann tauchte ich nämlich wieder auf und hörte, wie die herren die welt eingemeindeten in ihr kleines gehege.

marie hätte gesagt, stell denen den saft ab. so aber bin ich dankbar, für einen moment leuchtete etwas auf, das unvergessen ist, die freude am denken und kein zaun, einmal wenigstens für kurze zeit die sicht auf den freien geist und die schönere welt.

(beim schreiben höre ich Courtney Barnett, von dem album live at electric lady studios den song history eraser)

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