ich komme aus einer zone, da gibt es kein erwachen, sondern ein wachgerüttelt und gestossen werden, plötzlich reisst du die augen auf und merkst, die welt hat sich verschoben, du schaust sie jedenfalls aus einem anderen winkel. wenn etwas schön ist, ist es gleich schmerzlich schön, und die schönheit, die schmerzt, vergeht sehr schnell, du zwinkerst einmal nur mit den augen und schon ist sie ausgelöscht, verschwunden für immer, nur ein nachhall in deiner erinnerung.
was erzähle ich den leuten, ich meine nicht beliebigen, sondern in begegnungen, die den namen verdienen, und ich frage mich, was bewegt dich, was also liegt tiefer als alle worte, die auch in die irre führen, natürlich, du sprichst über dieses und jenes, vermischst ernsthaftes mit tratsch, dir fallen immer neue geschichten ein, von dingen, die es längst nicht mehr gibt, du holst weit aus und verirrst dich in den mäandern deiner worte, schlägst nebenpfade ein, kehrst um und einmal auf dem weg der digressionen und abweichungen machst du weiter, während über dir der wald steht, du könntest noch stundenlang so weiter reden, auch während es zu regnen beginnt, du lässt dich durch gar nichts aufhalten, auch durch keinen steileren anstieg, nebenbei sagst du als anmerkung, das seien alle die ungeschriebenen geschichten, für die du einen hörer brauchst, sonst würden sie nie erzählt, so als gebe es nur das mündlich weitergereichte wort, das es ohne einen zuhörer und weitererzähler gar nicht gibt und natürlich sprichst du auch soviel, um deinem gegenüber ähnliches zu entlocken und zwischendurch immer wieder die stille frage, warum tust du das oder kam die frage erst später, versuchst du dich in ein licht zu stellen, den geschichten über dich weitere anzuhängen, obwohl du diese nie hören wirst, als arbeitest du an einem ruf, den du schon längst hast, aber du müsstest ihn noch etwas verfestigen, was bewegt dich also, ausser dem mangel an gespräch seit ihrem tod, aber du weisst dieses gespräch kannst du durch kein anderes ersetzen.
dein erschrecken klingt nach, noch immer bist du erschrocken, dass so ein gespräch plötzlich wegbricht, das sich selbst im schweigen führte und wenigstens die halbe zeit habt ihr geschwiegen, weil vieles schon gesagt war oder worte sich sowieso erübrigten, vielleicht gab es noch eine geste, einen leicht hochgezogenen mundwinkel, einen austausch von blicken, aber nicht einmal einen ironischen; jedenfalls das fehlt dir und nicht irgendwie, denn da war doch tatsächliche eine welt aufeinmal ganz verschwunden und nur noch unberedtes schweigen, etwas weggerissen und ein verstummen, ein raum ohne echo, der jede silbe verschluckt, plötzlich fühltest du dich nicht nur in einem halbdunkel, sondern auch in einer enge, einem schwinden des raums und kaum noch worte für dieses erleben.
wenn also kein ersatz, was dann?
niemand will gehört werden, denn das würde doch bedeuten, du hast was zu sagen, aber was bedeutendest. doch das, was du erlebst ist nur deins, ich meine nicht die trauer und den verlust, sondern wie du trauerst und wie du den verlust lebst.
und spätestens jetzt merkst du, du redest gerade mit Marie.
und wahrgenommen werden? fragst du oder sie, worin? in einer sehr vorläufigen identität, so nennt man das doch, was man herum bewegt, und zusammen mit anderen herum bewegten identitäten, ebenso vorläufigen, namen meist nur, attributen, ergibt sich dann eine gesellschaft.
der tod im übrigen, eben gerade und ausgerechnet dieser tod, ihr tod also bestätigt dir weder namen noch attribute, wie auch immer sie lauten, wie heraus geputzt auch immer. er, ihr tod, prüft im besten fall deine tiefere konsistenz, also nichts zum herumzeigen, keine wichtigkeit, kein seht her in irgendeiner weise und es ist jenseits des: was bringt es.
was dann? geschichten, selbst aus erinnerung gespeist sind auch immer lügen. du erzählst sie, als redest du über einen anderen, der durch die geschichten eine seltsame konsistenz bekommt, die er sonst nicht hätte. du redest dich also selber in eine art scheinexistenz? ja, so ähnlich, denn für einen kurzen augenblick flackert so etwas wie sein auf in deinen indiskretionen, die auch wahr sind oder nur halb erfunden, schon die verwendeten worte sind lügen, bevor sie ausgesprochen wurden. denn, das ist auffällig, du redest, als ginge es um dein leben; ja, das sagtest du, wenigstens um einen schein davon, einen schein, den du erwecken willst. denn plötzlich kommt dir das erzählte interessant vor, aber wie von weitem angeschaut, wie bruchstücke einer halbwahren biografie.
aber sobald das reden aufhört, zweifest du schon wieder an deiner existenz, ich meine, es gibt dich wirklich, ich meine, du hast dich für einen moment in deinen geschichten gesehen, von ferne, etwas unsicher der blick, ja, das sicher, tupfer, farbkleckse hier und da, einen charakter sozusagen hast du für einen moment erblickt .
aber, sagst du am abend, nachher also, einen scheincharakter, der nichtsein oder den zweifel am sein durch reden, im schlimmsten fall geschwätzigkeit wettmacht, dadurch den anschein erweckt und diesem anschein auch wieder entschlüpft, indem er sich nicht einmal weigert, sich darin selber zu erkennen, sondern sich tatsächlich darin nicht ganz erkennt.
als hätte er sich von geschichten befreit, einmal gesagt schon verweht, keine substanz erkennbar.
marie würde spöttisch sagen, sie sagt es gerade, du hörst dich gerne reden.
die probe aufs exempel besteht darin: wie fühlst du dich, wenn du einmal alleine in deinem raum sitzt und schweigst? sie schaut noch immer leicht spöttisch und ich halbehrlich, wie ich bin, in worten will ich mehr verhüllen als sagen: leer, entleert, sehr leicht, wie weggeweht.
ich rede, also bin ich, sagt marie.
ja, sage ich, ich versuche durch reden wieder her zu holen, was mir durch deinen tod abhanden gekommen ist, die verbindung, die beziehung.
ob es uns beide überhaupt jemals gab? frage ich, aber es bestand für eine zeit eine rätselhafte beziehung, so etwas wie eine tägliche auferstehung vom gar nicht vorhanden sein.
und eine entwicklung, sagt marie.
ja, seltsam, das auch, ohne zweifel (ich).
auch im schweigen (sie).
du meinst damals (ich).
ich meine jetzt (sie).