allmähliche verfertigung von sowas wie ich am sonntagmorgen

langsames auftauchen heute morgen aus einem traumlosen schlaf (jedenfalls keine erinnerung). eingeschlafen mit irgendwelchen sorgen (es gibt immer welche: man selbst, die andern, die welt und die dinge darin) und damit aufgewacht: erste vage gedanken an irgendwelche nöte, nichts präzises, ängste halt und dann denkt etwas, gottseidank ist man schon alt. also ein ende absehbar. aber die kinder und enkelkinder undsoweiter.

einige meinen (sie tun jedenfalls so), sie haben alles im griff. man gehört nicht dazu. und, was die weltläufte anbelangt, kann man wenig tun, man wurstelt sich durch. manchmal schaut man nicht über den nächsten tag oder den augenblick hinaus. man will es einfach nicht. vielleicht geht es gut (die hoffnung stirbt zuletzt: auch ein schönes klischee).

und nun die stille des sonntagmorgens. kleine geräusche im haus. es hat in der nacht geregnet, das hat der erste blick aus dem fenster ergeben.

man weiss nicht soviel über das leben, es reicht gerade für den tag und um nett zu sein, einigermassen.

allmählich hat man dann im laufe des morgens die paar scherben zusammen geklaubt, die sowas wie ich ergeben. aber das ist nicht besonders überzeugend. es reduziert sich vornehmlich noch auf riechen, sehen und hören. die unterlage, auf der man sitzt, ist angenehm. gerade rauscht dann doch ein auto vorbei und ein zweites. das rauschen dauert nicht lange.

man meidet nachrichten so früh am morgen, sie könnten die stille stören, das auf jeden fall. man stellt sich vor, die zeitung erscheint mit leeren weissen blättern und auf den webseiten alles blank. aber die stille funktioniert. wenn man genau hinzuhören vermag, wird ihre tiefe fühlbar, sie ist von dem dunkel, das abends im dorf war, als man klein war. es war richtig dunkel nach der dämmerung und daran war nichts erschreckendes. nur in der nähe des friedhofs schienen ein paar ruhelose seelen zu geistern. die dinge verwandeln sich im dunkeln, sie scheinen weniger fest, weniger dinglich und leichter. vor allem scheinen sie ein geheimes leben zu haben.

heute gilt dunkelheit als etwas ungutes, weshalb bei stetiger beleuchtung nicht so schnell sichtbar wird, dass wir in einem dunklen zeitalter leben. das allzu helle, glatte wird, so gesehen, etwas unheimlich.

man braucht die stille wie luft und wasser im beunruhigenden lärm der zeit. man wird sich weiter durchwursteln, dessen ist man gewiss, man hat eine gewisse resilienz entwickelt. aber man braucht mehr denn je die stille, den rückzug.

nun kommt wieder der regen und erzählt geschichten von geborgenheit. man gehört nicht zu den glücklichen, denen selbstvertrauen in die wiege gelegt wurde (das scheint es doch zu geben, da jüngst jemand seiner verstorbenen mutter in einer liebevollen abschiedsrede dafür dankte). man hat also seine liebe mühe damit.

es stellt sich keinen moment ein gefühl der kontrolle ein. aber in der stille erreicht man einen ort der wahrheit. an dem sich stärke und schwäche begegnen. auch der zweifel ist mit von der partie und die gewissheit, der mut und die mutlosigkeit, die hoffnung und die verzweiflung. man sieht sie am werk.

die angst als handlungsantrieb: sie verkleidet sich in der öffentlichkeit als stärke, die sich selbstgewiss gibt.

ich habe den herbst immer gemocht, das flamboyante der farben, die noch warme luft, die regennächte, die zwetschgen und nüsse und pilze, das einfahren der ernte. die aussicht auf den winter und die eisblumen innen an meinem fenster in der früh hat mich nie erschreckt. zwei zimmer im haus waren geheizt, das wohnzimmer und die werkstatt des vaters. draussen lag hoher schnee, in der sonne tropfte die regentraufe, ein hund bellte in der ferne, sonst war es still. wenn man aufstand, hatte die mutter oder der vater den holzofen angeheizt. der schnee knirschte unter den schuhen, es war richtig kalt.

wir werden ein wenig lädiert sein, aber wir werden es überleben. wenn ich sowas denke, haben sich endlich alle lebensgeister versammelt. ich melde gegen den gedanken bedenken an. habe ich irgendwo ein kichern vernommen?

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