wie ernst soll man sich nehmen. aufsatzthema heute morgen. es ist genau sieben uhr neunundfünfzig. von meinem standort aus ist die morgendliche agitation kaum spürbar, gelegentlich fährt ein auto vorbei. ich öffne das fenster und ziehe mir die kühle herein. so waren auch die träume: kühl.
ich denke ein Jahr zurück, da konnte ich mich oft nicht in die stille ergeben. eine angst hielt mich zurück, als sei dort nichts, aber nichts ist auch nur ein wort. etwas krampfte sich zusammen, als stürze man ins ungeheure, aber nun: sie breitet sich aus, erfasst die ecken der zimmer, die wohnung; ich meine die stille des alleinseins und nichts besonderes tun, um sich ihrer zu entledigen, das gehört dazu.
sie breitet sich aus, erfasst die stadt, den landstrich, die gegend, die leute gehn langsamer, bewegen sich gemächlicher, nichts anderes schiebt sie an als die stille, kein movens von aussen, kein geld und kein gewinn, nur die stille weitet sich aus. wie eine allgemeine meditation. unterwegs werden die kleinen geräusche hörbar, die kleinen dinge zeigen sich ganz bescheiden oder ganz einfach, kein gedröhn und die menschen beginnen sich zu sehn.
erst in der stille erscheint eine lösung. der rätsel.
der café ist stark und bitter. über mir dumpfe schritte.
wie ernst soll ich mich nehmen. nous, on a des problèmes de riches. ich rede nicht von allen, ich bin kein zyniker, spiele nur damit, wenn ich verzweifelt bin, aber die mehrheit der menschen hat andere sorgen. heute denke ich an die kurden, gewisse kräfte, so lese ich, haben sich neu formiert. die meldung hallt in die stille herein, macht mich stumm, ich stelle mir vor, es gibt doch eine gerechtigkeit, irgendwo werden alle taten festgehalten und am ende gibt es ein gericht, dann richten wir uns selber, sehen, aber von den betroffenen aus und wie sie es erlebten, ihre perspektive wird zu der unseren. am ausgang.
wie ernst kann man sich nehmen. im grunde wissen wir es schon, es gibt eine bewusstseinsschicht, die keine manöver erlaubt, in der klarheit herrscht, in der die realität ohne beimischung erscheint, ohne ausreden, rechtfertigungen, urteile, in der alles offen gelegt ist, die geheimen intentionen, die langfristigen wirkungen, die ethischen implikationen, die selbstlügen, die dürftigen bemäntelungen. eine schicht, in der keiner von uns sich das geringste vormacht, la nudité ultime.
wie ernst kann man sich nehmen. das morgenlicht nimmt langsam an kraft zu, das zimmer wird langsam hell ohne künstliche beleuchtung, das bild vor mir beunruhigt mich, ein schwarzer keil, ein schiff, stösst von rechts ins bild vor, ins grüne und hellbraune, oben auf dem deck gestalten, formen jedenfalls, schwarze und eine grüne, grösser, schmaler als die andern mit einem hellen schopf, ganz rechts schweben zwei weitere lange gestalten, sie sind verbunden, glänzen matt, das ganze gearbeitet als relief, links vor dem kiel funkeln eingelassene glascherben, eine davon instensiv grün. schwarze einsprengsel.
die schiffe bei tintin et milou von hergé sind immer schwarz angestrichen.
ragt so der tod hinein in alles. oder ist es eine warnung; vor vernichtung. eine angst, sichtbar geworden. meine ängste . ich habe damals nur einen blick auf das bild geworfen und wusste, das möchte ich an einer wand sehen. meine tägliche beunruhigung, wie das bild der frau in rot, die einen kleinen kopf in der hand hält und der kleine kopf ist quicklebendig, genau über dem nabel der frau, wenn ich sie vom tisch aus nach rückwärts gewandt betrachte, schaut sie mich an, mein morgendliches rätsel.
ich habe noch nie blosse dekoration gemocht, redende dinge bevölkern den raum und schauen mich an. was wird er als nächstes tun, wird er nichts tun, wird er aufstehn und noch einen café brauen. hat er pläne, aufgaben, verpflichtungen, was macht der kerl überhaupt, also: aus seinem leben, ausser da sein, sitzen, herumgehn, reden und liegen. lacht er manchmal; lächelt er; warum lacht er aufeinmal und niemand hat etwas gesagt; warum grinst er plötzlich; hat er schmerzen; ist er traurig; wer ist die frau auf dem foto; er schaut hin, bleibt ernst, schaut nochmal hin, vielleicht lächelt er nun, sagt: du hast gut reden, meist einmal am tag sagt er: du fehlst mir bei allem.
die stille im zimmer ist der hintergrund aller geräusche, es ist die stille in mir. wie ernst soll ich mich nehmen, ich bin doch nur im vorüber gehn.