„dort rieche es schon nach alten leuten“

 

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abtauchen in die unsichtbarkeit, so ist das alt werden, so beobachte ich es; nur in der nähe der kirche treffe ich manchmal ein paar alte an, oft frauen, sie machen sich diskret, tragen gedeckte farben, grau, schwarz, dunkelbraun, kaum farbiges, unauffâllig, es gibt nur wenige ausnahmen. in der stadt das gleiche, wenn man welche antrifft, dann eher in der nähe des altersheims, in der traditonskonditorei, jüngere sagen, dort rieche es schon nach alten leuten. tatsächlich liegt über allem eine fast herzzerreissende nostalgie, ein es war einmal und die zukunftsaussichten sind nicht rosig. ich mag diese untergangsstimmung, dieses, es wird nie mehr so sein; dort scheinen die alten munterer, die frauen an erster stelle, die männer schneiden schlurfend schlechter ab, gebrochen irgendwie, ils traînent les pieds, als sei ihnen der sinn abhanden gekommen und der ausgang zu nah. sonst aber, kein alter in sicht, kein auffälliger wie jüngst auf den porträts in einem artikel des guardian, dessen referenz ich hierher setze, es geht um sichtbarkeit im alter, noch in frage kommen, weil man es selber will, gegen den trend demnach. dem alter wird nichts mehr zugemutet, nichts positives jedenfalls, also eigener wert, nur jetzt mögliche erfahrung aufgrund von vorhergehender reicher lebenserfahrung, keine besondere erkenntnis sowieso, die jüngeren wissen es  schon längst, aber sie haben eine vision des alters im nacken, die nicht erheiternd ist.

der hilsenrath ist gestorben, man setzt des weisshaarigen bild her, das wars, man fragt nicht, wieso alter nur noch eine bilanzsumme ist, ein kostenfaktor, gegen zehn sitzen ein paar traurige alte männer in der grossen halle vor dem supermarkt auf den rundbänken und starren ins leere.

man kommt auf trübe gedanken, wenn man sich nicht aufrafft, nicht beschliesst sichtbar zu sein, das stadtzentrum und den bahnhof zurück zu erobern. und eines weiss ich, die jüngeren wissen es keineswegs besser, auch diese einbildung wird vergehn und verwehn. (wäre die welt sonst in dem aktuellen zustand und komme jetzt keiner mit der aufzählung dessen, was besser geworden ist, dann frage ich nach dem preis und den kosten, ich rechne es in denkeinheiten nach).

beim besuch jüngst eines lieben bekannten, der keineswegs in die unsichtbare welt versunken ist, stand plötzlich im raum der satz eines stadtbekannten künstlers, ein bitteres fazit, „ich verstehe es nicht“ – das leben, die welt … und der liebe bekannte hatte den guten mann trösten wollen, „ich verstehe auch nichts“.

zugegeben, dieses gespräch folgte auf eine meiner tiraden, zu denen ich angesetzt hatte, eine theorie zum verstehen von allem, im ton ich weiss es besser, ich bin wirklich jünger als der bekannte, und bilde mir noch ein, ich sei etwas auf der spur, vielleicht bin ich es ja. oder es war wieder einer dieser holzwege und wie alle andern schlage ich mich von da an durchs gestrüpp und unterholz, weglos, aber das lasse ich mir nicht nehmen, auch vergnügt, nicht ohne trauer, aber auch insgeheim lustig und farbig, das ja.

wenn man nach dem kontext fragt und den grundlagen, dann ist die unsichtbarkeit der alten kein wunder, entweder man ist produktiv, wirft in der selbstausbeutung genügend profit ab, oder man ist nutzlos, altes eisen dagegen ist noch brauchbar; oder man konsumiert noch genügend, von einer kreuzfahrt in die nächste gruppenreise, das sind dann die nachrentner, die sagen, in zehn jahren kann ich das nicht mehr machen, heute papua neuguinea, morgen die karibik und der südpol steht schon auf dem programm.

ich lästere, diagnostiziere milde panik, dabei reise ich auch, nomadisierend in inneren welten. gruppenreisen sind mir ein absoluter graus, nur einmal habe ich auf einer gruppenreise einen schönen eindruck mitgenommen, die gruppe war klein, es ging zu fuss in die marrokanische wüste, nachts funkelten tausend sterne, keine zivilisationsgeräusche, es war anfangs direkt unheimlich und keiner spielte den grossen zampano und redete irgendeinen unerträglichen scheiss; ich muss sagen, es waren nur fünfzehn leute unterwegs.

und allein, so ganz ohne marie, weiss ich noch nicht, was ich auf reisen machen soll, ohne marie ist mir vieles suspekt und langweilig, das mag sich ändern, aber im augenblick ist es so, und liebgewonnene plätze sind mir verleidet, weil sie marie mitgeprägt hat, ohne sie sind die orte leer, wie ohne seele, ich kann sie jedenfalls nicht erkennen.

also deambuliere ich vorzüglich in der stadt, meinem erweiterten salon und halte ausschau nach sichtbaren alten und grüsse die jungen, auch die besserwisser, die dir gleich einen vortrag halten, wenn sie dich erblicken, mein standvermögen ist noch immer beträchlich, ich höre zu und hebe nicht mal innerlich die augenbrauen, von nasenrümpfen ist gar nicht die rede.

wenn ich nicht in einer anderen stadt herum laufe oder in hotelzimmern lese und schreibe oder auf berghüten, die nun verschneit sind.

die nördlicheren strände vertrage ich gar nicht, marie wurde dort von einer abgrundtiefen melancholie gepackt.

sonst trifft man mich noch im wald an, aber dort liebe ich am meisten die einsamkeit, keine menschenseele ausser bäumen und scheuen tieren und ich darunter.

ich meine, ob ein sapiens sapiens, der angst vor sich selber hat, sprich dem altwerden und den alten, diesen unangenehm gewordenen erinnerungen, überleben wird, ist keineswegs ausgemacht.

wenn man jemand fast vier jahrzehnte begleitet hat, wenn man den weg zusammen zurück gelegt hat, ist es kein pappenstiel, ein anderes leben zu erfinden. aber geschlagen gebe ich mich noch nicht, nicht ganz jedenfalls, es wird ein abend mit goldrandtrauer sein et avec quelques bels éclaircissements, in farbe, vor allem das, in farbe.

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7 Gedanken zu “„dort rieche es schon nach alten leuten“

  1. Ich würde hier gerne mehr lesen und wohl auch kommentieren, aber es fällt mir schwer Deine Texte mit Marie zu lesen. Es ist jedesmal so, als würde ich meine Nase tief in die Intimitäten anderer Leute stecken und – es hat nichts mit Marie zu tun – Dinge sehen, riechen, schmecken, hören, die mich nichts angehen. Eine große Liebe ist ein Bilderbuch, aber keins zum Vorzeigen. Es ist ein Geschenk, ein Schatz, der gehütet werden will, nicht veräußert. Auch Schmerz ist nicht verhandelbar, nicht vor Publikum zu bewältigen (außer vielleicht stilisiert als Roman, Film oder Bildwerk). Ich werde beim Lesen auf diesem Blog zur Gafferin, was ich weder Dir noch mir zumuten möchte. Verstehst Du, was ich meine? – Was die alten Leute angeht: sollen sie riechen. Solange sie lachen können – wer weiß, was sie auf den Bänken vor den Seniorenheimen treiben. Vielleicht täuscht das Bild. Oder wir haben eine bessere Idee, und setzen sie am Besten gleich um, egal, wie alt wir sind.

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    1. „Eine große Liebe ist ein Bilderbuch, aber keins zum Vorzeigen. Es ist ein Geschenk, ein Schatz, der gehütet werden will, nicht veräußert. Auch Schmerz ist nicht verhandelbar, nicht vor Publikum zu bewältigen (außer vielleicht stilisiert als Roman, Film oder Bildwerk).“

      „Verstehst Du, was ich meine?“

      Wäre ich an Deiner stelle, würde ich möglicherweise dasselbe empfinden, zu nah, zu persönlich, zu intim, vielleicht sogar peinlich, vielleicht würde ich mir das auch nicht antun, diese trauertiraden zu lesen, diese exhibition von schmerz etc. und ich kein voyeur. obwohl, das muss ich eingestehen, würde mich gerade das interessieren, was einem zustösst, wenn er jemand verliert, mit dem er ein halbes menschenleben verbracht hat. vielleicht würde mich gerade interessieren, wie sie/er darüber schreibt. nicht bloss, wie er empfindet.
      aber das ist eine persönliche wahl, es ist keines von den dingen, die man sich antun muss, man kann diesen blog links/rechts liegen lassen.

      kommen wir nun zu dem, was ich nicht verstehe, weil es so gewiss daher kommt, als allgemeine wahrheit (ich übertreibe ein wenig, aber du musst eingestehen, deine hier zitierten sätze sind auf diese art gestrickt) ich frage bloss,wer sagt sie; es sind also deine sätze, nicht meine, keine die ich unterschreibe. es ist auch deine sichtweise,du musst nun keinen bekannten schreiber/ keine schreiberin anführen, die sie auch schreiben würde oder schon irgendwo geschrieben hat. das macht keinen unterschied.

      auf diesem blog wird wie in jedem roman zuerst einmal kein schmerz verhandelt, keine grosse liebe, sondern wörter, sätze, sprachliche bilder, assoziationen, ein rhythmus und das heisst hier werden ereignisse und seien sie noch so intim STILISIERT, das geschieht jedes mal, wenn einer/eine wörter für dinge, ereignisse auch seines innenlebens (seines seelischen lebens) verwendet, das geschieht diurch die art und weise, wie er ganz disparate dinge, die im grunde nichts miteinanander zu tun haben, zusammen bringt.

      du weisst genau, dass du die sachen nicht lesen musst, sie drücken etwas aus, bringen etwas von einem gefühlten, gedachten, erlebten rohzustand in die welt der wörter und treffen auf eine resonanz oder nicht, was anklingt hat gewiss nicht nur mit dem urheber zu tun. du hast selber einmal geschrieben, du seiest auch nach der neulichen spiegel affäre misstrauisch gegen zu „schöne“ wörter, hier gilt der verdacht nun nicht, dass einer, indem er etwas beschreibt, was ihn existentiell angeht (nur dann vermag ich zu schreiben, alles andere gerät mir zum blossen gerede, irgendwo muss es mich tief berühren), nun gar nicht ins schwindeln gerät, weil er in wörtern und sätzen etwas zu fassen sucht, was gänzlich ohne diese krücke auskommt? in meinem fall kommt es nicht ohne wörter aus, ich brauche sie, weil der andrang von gefühlen und gedanken mich zu ersticken droht, aber ich bin mir jederzeit bewusst, dass ich auf dem wege der wörtersuche stilisiere, romantisiere meinetwegen und mich auf ein noch gefährlicheres terrain begebe als ich sowieso schon bin, denn das, was nun in wörtern daher kommt, ist es noch das, was ich erlebe, erfahre, oder ist es nicht zwangsläufig, fast ohne mein zutun, etwas ganz anderes, eben ein monument für marie, die nie marie genannt wurde, schon der namensgebrauch hebt sie in eine andere dimension und die fotos, wen zeigen sie.
      ich intendiere keine pornografie des leidens, aber wenn dieser blog dazu gerät, ich bin exhibitionist genug und voyeur meiner selber, ich bin ein kind meiner zeit und ich habe in der neuesten deutschen literatur mehr peinlichkeiten gelesen, mehr kleine und kleinste welt, als mir gut getan hat, das schlimmste sind die gut, innovativ und brillant geschriebenen nichtssagenden mini weltausschnitte, die mich nichts angehen, weil sie mir nichts über die äusseren noch über die inneren welten verraten und ich habe zu wenig zeit mir das anzutun. wenn aber etwas mich tief berüht, wenn ich mich tief von etwas berühren lasse, gerade von geschriebenem, gelesenem, dann freue ich mich, wenn einer/eine auch nur einen satz schreibt, der mich existentiell trifft.
      und zuletzt wollte ich sagen, wir leben in einer welt der voyeure und exhibitionisten, da bin ich ein messdiener dagegen (war ich tatsächlich).

      und was den letzten blogeintrag betrifft, dein unwille ist deutlich, ich verstehe nicht ganz, worauf du dich beziehst, natürlich tue ich das Bessere, soweit ich kann, ich bedaure nur, dass die alten von der bildfläche verschwinden oder traurig wirken, nur noch traurig, und es gibt so schöne alte gesichter und furchen und falten, die vom leben erzählen. seit die nazis den jugendkult forciert haben, ist es nicht besser geworden mit den alten, ich empfehle dir, ohne hintergedanken, das buch von stephen jenkinson, come of age, north atlantic books.
      (natürlich habe ich mich über deinen kommentar gefreut, er hat mich gestern nacht eine stunde später erreicht und ich habe ihn mit in den schlaf genommen und heute morgen hat sich nun diese antwort manifestiert:))
      so long
      T.

      P.S.: ah ja, was ich ausserdem sagen wollte, die objektivierung meines zustands, meiner grundlegenden verfasstheit in diesem blog (schreiben kannn ich am besten, indem ich für jemand schreibe, auch wenn er androht, mich nicht mehr zu lesen, dann spreche ich nicht ins leere), der versuch meine seelischen zustände zu fassen, auch wenn sie letztendlich entschlüpfen, auch wenn er misslingt, ist existentiell, das heisst er hilft mir beim überleben, er hilft, frag mich keiner wie, mich zu freuen, dass mir wenigstens das bleibt, das schreiben auch von marie, einer fernen frau, die ich einmal sehr gut gekannt habe …

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  2. Autsch. Das klingt nach Missverständnis. Jeder und jede kann in seinem und ihrem Blog schreiben was auch immer. Das ist das Schöne daran, und ich empfinde es als Bereicherung, auch wenn Beiträge mir nicht so gefallen oder ich etwas anders gemacht hätte. Was ich gemeint habe ist, dass mich Deine Texte interessieren und ich gerne mehr lesen würde, ich aber von diesem sehr intimen Format abgeschreckt bin, weil es mir als Leserin das Gefühl gibt, in Dingen zu schnüffeln, die mich nichts angehen. Ob wir da in einer Welt der Exhibitionist/innen und Voyeur/innen leben oder nicht: Nicht mein Ding. Auf Deine Frage: Natürlich schreibe ich nur für mich. Ein Kommentar ist meine Meinung. Als Texterin habe ich Schreiben gelernt und spreche, das mag Dir als „allgemeine Wahrheit“ aufgestoßen sein, in diesem Fall tatsächlich auch vom Handwerk des Schreibens. Es gibt Regeln, gerade wenn Texte für die Öffentlichkeit verfasst werden. Natürlich lassen sich alle Regeln brechen – ein Grund, weshalb es sie überhaupt gibt. Aber es hat oft gute Gründe, sie einzuhalten. Und in diesem Fall habe ich versucht, meine Sicht als Leserin darzustellen, um verständlich zu machen, was an einer so extrem persönlichen Schreibweise schwierig ist. Es gäbe ja die Möglichkeit, zunächst einen sehr persönlichen Text zu schreiben und ihn dann so zu überarbeiten, dass die intimen Momente gelöscht werden, ohne dass das Wesentlich verloren geht. So wäre daran nichts falsch, aber Leser/innen hätten es leichter, das von Dir Erlebte auch in eigene Gedanken mit einzubinden. – Worauf Du Dich mit „dem letzten Blogeintrag“ beziehst, habe ich nicht verstanden. Stephen Jenkinson werde ich mir anschauen. Danke für den Tipp!

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    1. Ich fühle mich nicht in meinem schreiben bedroht; das meinte ich nicht.
      und das mit den regeln verstehe ich auch, und dass ich mit meiner scheinbaren direktheit da auf einigen (regel-)beeten herumtrampele.
      sogar wenn man mir sagen würde, hast du denn keine scham, könnte ich das verstehen. denn in gewisser weise habe ich im sterben maries und in ihrem tod jede scham verloren. “ jede“: diesbezüglich. es mag sogar sein – und ich erinnere mich an eine weihnachtszeit vor jahren, da haben marie und ich eine bekannte durch unsere direktheit in der mitteilung von gefühlen völlig verschreckt und ins boxhorn gejagt, sprich vor den kopf gestossen, für uns beide war das völlig normal, diese art von mitteilung, diese art der gefühlskultur und direktheit meine ich – dass ich solche grenzen nur schwer erkenne, weil es, übrigens auch für marie, in den fünfzigern keine sprache für innenwelterlebnisse gab, man musste sie mühsam erwerben, selber, allein, und nun wurden, jedenfalls für mich mitteilungen darüber genauso selbstverständlich wie mitteilungen Über aussenwelten. wenn ich mich sicher fühlte. oft schien mir das reden der leute nur small talk.
      „nichts angehen“ scheint mir deshalb ein schwieriger begriff, aber ich ahne wenigstens, was gemeint ist.

      natürlich habe ich nach andern ausschau gehalten, die über trauer, verlust und schmerz und die erfindung eines neuen lebens reden, ich habe wenig gefunden, was mir tief genug war, sterben und tod ist nicht inhalt einer kultur, sterben und tod ist ein nicht-thema. es ist nicht integriert, unsere kultur ist eine kultur ewiger jugend und ewigen lebens, eine ausblendungskultur, tut mir leid, aber so erlebe ich es. sogar gute bekannte drängten mich, mich dem leben zuzuwenden; im verzeichnis der pathologien taucht anscheinend das trauern nach drei wochen als pathologie und zu behandeln auf, ein vernünftiger mensch, der seine fünf sinne beisammen hat, weiss, das das ein schwachsinn ist, trauern braucht zwei jahre, ich sage das, aber ich weiss, ein jahr macht es nicht. es gibt demnach keine kultur des sagens von trauer, ein sagen, das auf den grund geht, das nichts beschönigt, keine netten sätze, es ist weder nett noch schön, es reisst dich um und zwingt dich in die knie und nichts kann das ändern und glaub mir, ich hab einiges probiert, nur will ich gar nicht wegtauchen, ich will den schmerz spüren und wenn er mich umbringt. was ich gesehen habe, gehört habe, erlebt habe hat mich radikal gemacht. es ist sogar so, wenn ich ehrlich bin, die gefühle sind eben gar nicht so schön sortiert und lackiert, wie ich sie präsentiere auf dem blog, sie sind ein knäuel, ein chaos, das ich entwirre, in das ich ordnung zu bringen suche, damit ich überhaupt einen funken licht erkennen kann. es ist also eine arbeit, es ist nicht so locker hingeschrieben, wie es den anschein hat, ich schaffe jedes mal reinen tisch, damit sich überhaupt wörter finden und sätze bilden, manchmal habe ich auch einfach nur schiss, eines tages weiss ich gar nicht mehr, was das ist marie, schon jetzt wird alles undeutlicher und das ist auch ein schmerz.

      ich weiss nicht, ob das jemand hilft. vielleicht schreckt es ab, vielleicht ist es unerträglich, aber so ist das erleben des sterbens und des todes, total unerträglich und fürchterlich und doch ist es das normalste. und natürlich habe ich auch angst vor meinem eigenen, und zwar keine kleine, wenn man das sterben eines andern sieht, ist man ganz auf ihn bezogen, so war es für mich, aber der eigene taucht danach auf und man fühlt, wie wird er sein. es ist nicht lustig. ich Möchte nicht einmal so brutal direkt sein, so schamlos, aber der tod ist schamlos und das sterben auch. es ist zum schreien. und danach: schreit dein körper vor entzug, ob du es willst oder nicht, er brennt wie die hölle.
      und einsamkeit, jetzt weisst du, was das ist; nicht allein sein. verlassenheit, einsamkeit.
      und selbst wenn du dich beraten lässt von einem psychologen zum beispiel, ist es das, brutale einsamkeit. du lenkst dich ab, aber es ist da, folgt dir überall wie ein böser schatten, den du schrecklich findest. du kannst oft gar nicht hinaus, weil es nicht geht, dein leben ist zusammen gebrochen und selbst wenn du ein spiritueller mensch bist, sogar wenn du die gewissheit hast, sie ist verwandelt um dich, ist ihre körperliche abwesenheit, ihre stimme, die du nie mehr hören wirst, eine qual.

      und, Stephanie, ich würde es gerne anders sagen, aber ich kann das nicht, es geht nur so. und deshalb ergebe ich mich und sage, dann will ich es, genauso.

      in der hoffnung, wenigstens am rande, dass es jemand anderem hilft. wie weiss ich auch nicht.
      und der Jenkinson hat in der palliativ pflege gearbeitet, mit sterbenden und ihren angehörigen und auch ihn empfinde ich als brutal und direkt, wenn auch poetisch.

      aber die frage, gibt es keine andere weise des sagens, habe ich mir gestellt.

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      1. Ich finde die Idee schwierig, dass andere oberflächlicher trauern oder mit dem Tod gehen, als man selbst. Natürlich ist jede persönliche Erfahrung mit dem Sterben geliebter Menschen ein Schlag, von dem sich keine/r erholt. Dennoch: wer schon mal 50 geworden ist, hat wahrscheinlich mehr Tote um sich, als Finger einer Hand hergeben. Geliebte und enorm vermisste Tote. Aber auch hier gilt etwas, was möglicherweise nicht mit Oberflächlichkeit oder Desinteresse zu tun hat, sondern mit Respekt. Tote haben ein Recht auf Diskretion. Sie können sich nicht mehr äußern, und also auch nicht mehr auf die über sie verbreiteten Dinge reagieren. Sie dürfen nicht von Lebenden als Ausweis für besondere Erfahrungen missbraucht werden. Sie existieren in einer Tabu-Zone, seit Menschengedenken übrigens, die wir nur barfuß und auf Zehenspitzen betreten sollten. Wie geschrieben: Aus Respekt für sie, nicht aus Angst. Unsere Kultur ist nicht die einer Ewigen Jugend. Das ist die Werbung. Wir wissen das, und auch wenn es bequemer ist, sich um das Glätten von Falten zu kümmern, die Fragen des (guten) Lebens gelten für alle. Und werden auch von allen – mal so, mal anders – beantwortet. Wer den Generalverdacht gegen andere hegt, sie würden nur geleckte und irgendwie gesäuberte Beiträge schreiben, ist möglicherweise nicht nur auf einem Auge blind. Der Tod ist für alle Menschen unerträglich. Aber alle Menschen werden mit ihm konfrontiert. Er ist Teil des Lebens. Wer sich fürs Verdrängen entscheidet, hat eben diese Entscheidung getroffen. Das kann sich erstens ja noch ändern. Ist aber zweitens genauso zu respektieren, wie eine minutiöse Auseinandersetzung damit. Ja, brutale Einsamkeit ist auch ein Teil des Lebens. Auch für jede/n. Und, nein, das glaube ich nicht, dass man eine Sache nur so und nicht anders denken oder schreiben oder sagen kann. Wozu können wir reflektieren?

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      2. tut mir leid, ich hatte schon zu einer längeren antwort angesetzt, ich habe sie wieder gelöscht, es ist sinnlos in meinen augen auf apodiktische verkündigungen zu antworten. das ist mir zu betonmässig, mich erinnert das an die bauten der maginotlinie, der siegfriedlinie auch, das sind alles verlorene kriege.
        aber danke für das feedback.

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