ist man tatsächlich auf einem anderen planeten oder sagen wir einfach in einem anderen raum und der wird einem zugewiesen, kulturell meine ich, wenn man alt ist (und das beginnt spätestens ab 70). was das hiesse kann jeder sich ausmalen, der den satz kennt, sie sehen aber noch jung aus.
?
jungsein als messlatte für alles und also ab siebzig ist man quasi exterritorial. so bernard pivot in seinem buch vieillir: c’est chiant, in dem kleinen auszug, den ich jüngst gelesen habe.
es gibt tatsächlich in den sprüchen, die man zu hören kriegt, wenn die falten stimmen und das haar weiss ist (sofern man noch welches hat), eine art trost, die man nur als hohn empfunden kann. da steckt oft das wörtchen „noch“ drin, eine frage der zeit also, wenn man nicht mehr ist, was auch immer. ihnen würde man das alter nicht geben ist von der nämlichen qualität. und höflichkeit und manieren hin oder her, das erste mal, als jemand mir im bus (ein lieber mensch zweifelsohne) seinen platz angeboten hat, habe ich gedacht, jetzt ist es soweit, es war ein leichter schock, gemischt mit heftigem ärger, so musste es ja kommen und ich habe abgelehnt, so wackelig bin ich „noch“ nicht.
vor ein paar tagen habe ich meine gefaltete visage, etwas mitgenommen muss ich zugeben, im spiegel erblickt und gedacht, es war doch erst gestern, da sah dein grossvater genau so aus, etwas mitgenommen vom leben. er war ein monument. ich komme mir trotz ähnlicher furchen, falten und fältchen wie ein leichtgewicht vor, etwas durch die mangel gedreht, aber doch oft noch ahnungslos, ja, naiv.
erst jetzt zum beispiel scheine ich zu erwachen und zu realisieren von welcher art wir sind, quels choix faisons-nous sous quelles conditions, unsere geschichte ist ein abgrund, wie gequält muss ein tier sein, damit es andere dermassen quält.
wenn ich mir das vor augen halte, dann falle ich mit, wenn ich sehe, dass einer dem andern auschwitz um die ohren haut, dann graut mir.
aber ich kann inzwischen auch wieder sehen, was wahre menschlichkeit ist. in diesen tagen gedenke ich meiner lektüre von Imre Kertész, Primo Levi und Jacques Lusseyran. Lusseyran: ist mit acht erblindet, hat darüber geschrieben und über Buchenwald, dahin war er als Widerständler geraten: et la lumière fut.
selbst wenn wir verloren wären, die geistige substanz dieser leben halte ich für ewig.
also, noch mal, was ist altwerden.
ich schneide mir kein stück ab vom heldentum, dem wirklichen und dem vermeintlichen anderer. dazu habe ich kein recht (weswegen unsere lokale geschichte als lokaler mythos so sonderbar entgleist ist, was sich langsam zeigt, aber spät und gegen zähes wegsehen). wie ich gehandelt hätte? das ist aktuell die frage, wie handele ich jetzt, was sehe ich jetzt, von uns, wie denke ich jetzt, wie verhalte ich mich jetzt. es ist sehr leicht und leichtfertig, sich auf die gute seite zu schlagen, was hätten sie damals gemacht? es gibt menschen, bei denen zeigt sich unter bestimmten umständen das beste und bei anderen das schlimmste. und es gibt grauzonen und wechselfälle.
also zum letzten, was ist altwerden.
jedenfalls nichts vermeidbares, wie es heute oft scheint, nichts abwendbares. muss man angst davor haben. mehr denn je wird deutlich, dass die kultur, die westliche keine verwendung dafür hat, keine modelle bereitstellt, ausser infantilität und angst, man muss jetzt profitieren, denn wenn man erst alt ist, dann… also hektische aktivität dagegen, antiaging aus der tube?
ich gebe zu, jüngst hatte ich einen einbruch und fragte mich wie so oft, wenn jemand das, so ein leben halt, erfunden hat, dann war es entweder ein unvergleichlicher stümper und nichtskönner aus der dritten reihe oder ein grauenhafter dämon oder beides, das gibt es, dachte ich. so eine absurde, sinnlose angelegenheit kann ein normaler mensch sich nicht ausdenken. natürlich frage ich mich bei solchen einbrüchen regelmässig, warum ich noch da bin. der (eventuell zweifelhafte) vorteil des alters: man weiss inzwischen, die seelische achterbahn gehört dazu, man hat es zich mal erlebt. allerdings war der einbruch diesmal ernster denn je, keineswegs das übliche gehört nun mal dazu. so tief empfunden habe ich selten, wenn überhaupt, dass es keinen sinn macht, ein empfindendes wesen in solcher lage, das ist doch bloss quälerei. das würde man niemand antun wollen. wie gesagt, ich gebrauche dafür den begriff „fallen“ und es hört eine ganze weile nicht mehr auf. und wie mühsam ist es erst, der sache wieder einen sinn zu erfinden. das ist eine art sisyphus arbeit, man baut eine hütte und sie stürzt ein und wieder von vorne, und nochmal, ein bedrohter bau und eine gefährdete insel des sinns mitten in einem meer von unsinn.
und dann macht man sich doch wieder dran.
wieso ist das möglich.
es hat etwas mit heraus gefallen sein aus allem zu tun und wiedergefundener verbindung. es ist nichts grosses, es ist sehr einfach.
wann ich die verbindung wieder gefunden habe?
im wald, bei einem kurzen spaziergang,
ich schaute auf und erblickte plötzlich die wunderbare schönheit des orts, den hang mit bäumen, kahl, graubraun und flechtengefleckt, laub, braunrot, erde, moos leuchtend grün auf gestürzten stämmen, licht dazwischen, etwas fahl, noch war der himmel grau, eine viertelstunde später blau, blassblau winterlich und der regen funkelte, kleine funkelnde edelsteine überall an den ästen, in der luft.
das „fallen“ hörte auf.
ich war wieder „drin“.
alles bewegte sich von daher, ich selber auch, gehen kam von daher, die hand heben, schauen, riechen, den regen, die aufgeweichte erde, die funkelnde luft.
anmerkung: sorry, mir unterlaufen immer wieder fehler, grammatische, rechtschreiberische, etwas in mir will mich demütig machen, denn mir sind fehler, trotz alter übrigens, peinlich, deshalb also. auch sogenannte flüchtigkeits-. waren immer peinlich. weshalb ich immer wieder welche eingebaut habe. unterlaufen sind sie. eben.
wenn jemand sich am satzbau stört, ich nehme mir gewisse freiheiten, bewusst. etwaige „inkorrektheiten“ sind mir schnurz. inzwischen. oder absichtlich.
das sollte mal festgehalten werden.
Wonnerschéi geschriwwen, Théo ….
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