
der erste gedanke heute morgen: seinen arsch retten und in einem sicherheitsgefängnis leben, nein und nochmal nein. das wäre totsein schon zu lebzeiten, jedenfalls kein leben. und gerade, wenn man älter ist (übrigens eine schöne umkreisung der tatsache, dass man in einigen monaten einundsiebzig wird und sage nun niemand, das ist doch noch kein alter, ich kriege dann den rappel und werde ausfallend), lebt man in der zone, riskiert, über den rand zu kippen, man weiss nicht wann. es geht auf den ausgang zu.
jedenfalls schärft sich das bewusstsein dafür.
irgendwann macht man platz.

aber lebt man auch so, die zweite frage heute morgen. oder wurschtelt man nur rum. das sowieso. verplempert seine zeit. hängt in der morgensonne und will gar nicht mehr weg, lauscht, schaut und riecht. auferstehung gerade, dieses wunderliche unverwechselbare frühlingsgrün, blühen und verblühen nebeneinander, tod und leben auf einem haufen und der geschmack des dritten expressos auf der zunge und ein paar rebellische gedanken über die abwägung der güter, sicherheit first und also noch schärfere kontrollen (gemischt mit denunziation, blockwart und konsorten) versus freiheit, berührung ohne handschuhe und maske vor der ängstlichen schnauze, leben halt und das ist ohne risiko uninteressant und ohne ende unerträglich.
im gefängnis träumt man von ausbruch und tags bereitet man ihn vor.
so auch jetzt.
gedankengefängnisse.
jemand sagt laut: corona hysterie.

zwangsvorstellungen als folge längerer isolationshaft. (dazu radiodudeln, wir machen das beste draus, kochrezepte als frohbotschaft, fröhliche eiersuche unterm sofa, wir sind für sie da)
das nächste mal komme ich als wind, sage ich mir, der fegt mauern weg, reisst bornierte vorstellungen ein, bläst der dumpfheit das licht aus.
kein kaserniertes leben bitte.
das, was jetzt geschieht, angeordnet ist, eingehalten wird, ist, neben all dem guten grund (ich weiss, ich weiss), auch ein grosses experiment.
fast klang gestern das frauenlachen (soutenu!) wie ein signal. des aufstands? ist lachen noch erlaubt?
man trägt angst und furcht. halblang.

wie fühlen wir uns heute? (der innere shrink, die stimme gewohnheitsmässig, neutral, eigentlich ist es dem wurscht, die seelentemperatur bitte, ich halte mein ohr hin, ein huster im garten als protest)
grantig!
schon die blosse vorstellung der bewegungsunfreiheit könnte einen, wenn nachdrücklich ausgedacht in alle facetten hinein, zur weissglut treiben.
deshalb: tief durchatmen, sitzen, aufstehen, gehen, schauen, hören, riechen, berühren, elementares, wer sind Sie? fragte mich das jemand, würde ich wahrheitsgemaäss sagen: ein gartenwahrnehmer, ein frauenlachenhörer, ein cafériecher, ein vogelzwitschern vernehmer, beim lesen bleibe ich an einem satz hängen und komme den ganzen tag nicht davon los. warum versuchen soviele mit den alten wortkombinationen das unerhört neue zu beschreiben? wollen sie es weg reden, wollen sie das unglaubliche camouflieren, parole, parole, normalisierungsgerede, schäfchen bleibt brav zuhause, schäfchen blökt, jaaaaa.

ich vertrage nur unernstes, spielerisch elegantes, spöttisches, „biesbies laachen aus“, ich bin gegen den krisentiefsinn, natürlich heule ich auch, schreie unhörbar, aber das geht niemand was an, ich lache, ich schmunzle, das leben ist ein böses spiel, ist ein schönes spiel, ich weiss, was schmerz ist, was verlust ist, ich vermisse Marie noch immer, keiner soll mir was über den tod erzählen, ich hasse diese ziffern, wieder 4 (vier) tote mehr, ich wüsste gern, wer das war, ich betrachte die bilder der verstorbenen in der zeitung, ich rufe ihnen „gute reise“ hinterher.
ein staat, der für seine armen massengräber schaufelt, ist ein unstaat, das denke ich, das sage ich, ich möchte, dass die toten ein gesicht haben, eine geschichte, tote sind keine zahlen, deshalb finde ich die aufzählerei obszön.
das leben ist eine tödliche geschichte, sage ich.

und wenn ich diesen satz sage, das leben ist eine tödliche geschichte, dann sage ich auch, was machst du damit, jeden morgen sage ich das, jeden abend und jeden mittag, ununterbrochen sage ich das.
dieser satz müsste mich eigentlich leer räumen, müsste alles abräumen, tabula rasa.
jeden tag fange ich mit diesem satz an, ich hämmere ihn mir ein, als wolle ich ihn gar nicht glauben.
dann lasse ich ihn los…

Die Stille der Nächte…verwundbare Zeilen..auf der Suche ohne Grubenlampen oder Lametta…Sich nicht in Höhlen verkriechen…Die Sprache als Opfergabe….die Stille der Nächte…
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