
ich fahre eine weile, bis ich den ort erreiche. er hat sich gewandelt, die mountain biker nennen ihn „bunker trail“. ade die pfade von gestern. in der tat sind zwei gruppen von mountainbikern unterwegs. der pfad ist an manchen stellen verschlammt. als ich an einer gruppe vorbei komme, sage ich: „aha, sie sind wieder unterwegs, um die pfade zu ruinieren.“ dabei bin ich gelegentlich selber mit dem rad im wald. aber aus der perspektive des wanderers oder bescheidener, des spaziergängers sieht die sache völlig anders aus. man fühlt sich belästigt.
ich gehe rasch an einer freundlichen frau mit drei kleinen kindern vorbei. als ich den steilen part des pfades hinter mir habe und nicht mehr so stark auf meine schritte achten muss, fällt es mir aufeinmal auf. heute erlebe ich die umgebung, die ich sehr gut kenne oder zu kennen glaube, anders, ja, ich erlebe sie garnicht, es ergibt sich kein kontakt, ich empfinde nichts, weder die sofortige intime vertrautheit noch die freude, die ich deswegen spüre. nichts.
bis mir aufeinmal aufgeht, die natur um mich herum, die ich schon in meinem exclusiven besitz wähnte, denn ich kenne sie seit meiner kindheit, verweigert sich oder vielmehr, sie ist abgekehrt und in sich gekehrt. kehre ich meine wahrnehmung nach innen. vielleicht begegne ich meiner landschaft dort. aber das ging mir erst später auf.

die bezeichnung „bunker trail“ hat mir bestätigt, es ist ein beliebter ort geworden, für mountainbiker enthält er einige herausforderungen, die spuren in den verschlammten teilen des pfads deuten auf zahlreichere besucher. zuerst dachte ich, ich habe den ort an den lärm verloren, es ist nicht mehr mein ort. aber dann, in der bewegung nach innen, fand ich die landschaft wieder.
„nennen sie das, wie sie wollen.“, sagte ich, als Baer ein paar ironische bemerkungen von sich gab. „es ist keine landschaft, die sich einfach erschliesst.“, sagte ich, „selbst im frühjahr und sommer nicht. an der stelle fällt die schlucht sehr steil ab, im winter kann man bis hinunter aufs wasser sehen und merkt erst, wie steil der abhang ist. mein erleben an dem tag hatte nichts mit der vermehrung der besucher zu tun. im allgemeinen ist es noch immer still. aber diesmal hatte ich sofort die frage, was machst du hier. als werde ich auf die probe gestellt, als müsste ich meine anwesenheit rechtfertigen. und ich habe überm gehen nach antworten gesucht und erst als ich meine aufmerksamkeit von der umgebung abzog, gab es eine antwort meinerseits, die der landschaft standhielt. so in mich gekehrt war ich dort noch nie unterwegs.“
wenn ich fragen habe, auf die ich keine antwort finde, gehe ich an den ort. inzwischen haben sich offensichtlich neue erlebnisschichten darüber gelegt, die nun „trailartig“ sind. machen sie den ort unkenntlich? es gibt orte, die verweigern sich einer oberflächlichen inbesitznahme.
das dachte ich, weil ich aufeinmal angst bekam, es sei nicht mehr mein ort, sondern ein allerweltsort, als sei meine spezielle beziehung aufgehoben. und ich ein alter mit einer verlorenen ortsobsession, der etwas sucht, was es längst nicht mehr gibt. so dass der reale ort einen zurückweist, er hat nichts mehr mit einem gemein.

„sie sind sich bewusst, dass sie einen kindheitsort zu einem lebewesen machen?“, sagte Baer.
für mein erleben ist er das, ein lebendes wesen, mit dem ich eine geschichte teile, nämlich seine revolutionäre veränderung, wobei der veränderte zustand schon viel länger dauert als der ursprüngliche, aber ich habe noch deutliche bilder der ersten periode, ich behandle sie als kostbarkeiten.
meine tiefe irritation führte an dem tag beim café dazu, dass ich Baer dinge sagte, die mir unter normalen umständen als vertrauensbruch vorgekommen wären. als entwickle eine landschaft auch gefühle oder empfindungen, die sich meiner eifersucht annähern könnten. denn seit der kindheit habe ich fremde dort als eindringlinge empfunden. „was habt ihr hier zu suchen, es ist mein ort.“ so dass ich geneigt war, mein neuerliches erleben auf meine kindlichen ideosynkrasien zurückzuführen.
in gedanken ging ich später den pfad zurück, um die stelle ausfindig zu machen, an dem ein bewohner des orts vor einigen jahren tödlich verunglückt ist, man hat dort ein kleines monument errichet und ich mache jedesmal einige zeit halt, um seiner zu gedenken. es ist eine art scheu, gedankenlos vorüber zu gehen. genau dort ist mir aufgegangen, dass der ort sich diesmal verweigerte.
von da an begann ich langsam zu begreifen, dass ich mich schon immer durch eine innere landschaft bewege, wenn ich dort bin. man kann mich gehen sehen. was man nicht sieht, ich bin nicht nur ein teil der landschaft,wenn ich dort gehe, sondern ich bin diese landschaft, es gibt gar keinen unterschied. und in dem augenblick emfand ich eine art von tiefer befriedigung, die nicht von mir auszugehen schien. als sage etwas oder wer, jetzt hat er es begriffen. denn mir scheint diese landschaft eine unverwechselbare person zu sein.
es ist keine art von schulterklopfender beziehung, muss ich sagen, es ist vielmehr eine kraft, die mir über ist. ich merke dort, wie klein ich bin, wie winzig, und sobald ich dessen inne werde, verschwinde ich und es gibt nur noch den ort und das gehen. und innen und aussen ist dasselbe.
an dem tag habe ich gemerkt, wie sehr die verhältnisse sich geändert ahben, wie anders gedacht wird, anders geredet, und ich meine es ernst, wenn ich sage, dieser ort zeigt jedem, was er bereit ist zu sehen.

die stadt kam mir danach vor, als liege sie tausend kilometer abseits. dort hat man angst, wo keine angebracht ist, und wo sie dringend nötig wäre, herrscht unbedenklichkeit. man sagt das eine und tut das andere. inzwischen hat man türen geöffnet und bevor man sich versieht, kriegt man sie nicht mehr geschlossen. das geht vorüber, sagt man, und dann bleibt es.
„sie reden in rätseln.“, sagt Baer.
„soll ich genauer werden.“, sage ich.
Baer: „unbedingt.“
„die massnahmen, die man in der jetzigen krise getroffen hat, sind ein vorschein auf die massnahmen in den nächsten krisen. es sieht nicht nach mehr demokratie aus.“
„und sonst?“, sagt Baer.
„unbedenklichkeit ist eine charakteristik der sogenannten freien marktkräfte.“
„haben sie auch eine positive botschaft?“, sagt Baer.
„botschaft?“, ich, sieben fragezeichen.
„wo sehen sie möglichkeiten.“, sagt baer, „die uns hinaus führen in eine andere konfiguration.“
„ich vertraue darauf, dass wir mit kräften umgehen, die uns letzlich überlegen sind. allerdings ist der ausgang offen.“
darüber gingen wir auseinander.
